Die Drachenjägerin 3 - Winter, M: Drachenjägerin 3
Hast du Angst, alleine hier oben zu bleiben? Du kannst gerne rufen, wenn die Bären zurückkommen.«
» Angst?«, schnaubte der Drache. » Du vergisst, mit wem du sprichst.«
Rinek überlegte noch immer, wie er am besten hinunterkommen sollte. Er zog einen Bindfaden aus seiner Tasche und betrachtete ihn kritisch.
» Was wird das?«, erkundigte sich der Drache. » Willst du daran hinunterklettern? An einem Faden?«
» Ich kenne nicht viele Zaubersprüche. Es muss doch einen geben, um etwas zu verlängern.«
Sion Ran schnaubte ungeduldig. » Ang-Tiawh.«
Nun war Rinek überrascht. » Du kannst zaubern?«
» Nein«, knurrte der Drache. » Kein Drache kann zaubern. Aber wir alle kennen unsere eigene Sprache. Das ist ein Wort in meiner Muttersprache. Nimm es. Ich schenke es dir dafür, dass du mir das Leben gerettet hast.«
» Dann halte das Ende zwischen den Zähnen. Geht das, ohne dass du es zerbeißt? Ich lasse mich langsam hinab, während ich den Faden nach und nach verlängere. Kann ich ihn verstärken, damit er nicht reißt? Dafür sollte es auch ein Wort geben.«
» Was bin ich? Der Gehilfe eines Magiers, der selbst nichts weiß?«
» Ich hab gewonnen«, erinnerte ihn Rinek, der vor Freude am liebsten laut gejubelt hätte, als ihm klar wurde, was dieser Drache für seine Zauberei bedeutete. Er brauchte Mora gar nicht. Mora mit ihrer Geheimnistuerei. Dieser Drache wusste alles, was man zum Zaubern brauchte.
Die Magie brannte auf seiner Zunge. Von Mal zu Mal wurde es leichter und zugleich intensiver, es war, als würde sein Körper sich an diese neue Belastung gewöhnen und stärker werden, und zugleich war es, als würde er immer empfindlicher in seiner Wahrnehmung.
Ob man mit Zauberei wohl auch sein Gehör verstärken konnte? Oder die Augen? Er war unten am Boden des Schachtes angekommen, neben dem Kadaver des zottigen Wolfsbären, und lauschte in die Dunkelheit. Das kleine Licht glomm immer noch, doch aus den Tunneln – einer vor ihm, einer hinter ihm, da er anscheinend ein Loch in die Decke gebrochen hatte –, strömte kühle, erdige Luft.
Rinek hob das Licht auf und wählte einen der Gänge. Er lauschte. Von irgendwoher ertönte ein stetes, kaum hörbares Tropfen.
Die Wände bestanden tatsächlich aus Ziegeln, die ohne Mörtel aufeinandergeschichtet waren. Dann kam er an eine Stelle, an der natürlicher Fels ausgehöhlt worden war – oder vielleicht war der Tunnel sogar natürlich, denn an den Wänden waren keine Spuren von Werkzeug erkennbar, und die Felsspalte war alles andere als gleichmäßig. An einigen Stellen näherten sich die Wände, sodass er sich kaum hindurchquetschen konnte, an anderen öffneten sie sich zu geräumigen Höhlen.
An der ersten Kreuzung beschloss Rinek umzukehren, bevor er sich in diesem Labyrinth verirrte. Seine Augen leuchteten, als er sich an den Faden krallte und dem Drachen befahl, ihn hochzuziehen.
Kurz darauf wuchtete er sich über die Kante und lag einen Moment erschöpft im Schnee, breitete die Arme aus, als wollte er die ganze Welt umarmen, und lächelte.
» Was hast du da unten gefunden?«, erkundigte sich Sion Ran. » Einen Schatz?«
» Besser.«
» Lass mich raten. Einen Weg, Chamija um die Ecke zu bringen.«
» Oh, du bist gut. Genau das ist es nämlich. Dieser Tunnel muss zu dem unterirdischen Labyrinth gehören, das bis unters Schloss führt. Warum bin ich nicht gleich auf die Idee gekommen, als ich deine Höhle entdeckt habe? Wir haben den Eingang damals nicht gefunden, meine Freunde und ich, aber das macht nichts. Jetzt weiß ich, wie ich selbst Eingänge schaffen kann, wann und wo ich will. Auf diese Weise werde ich ins Schloss gelangen.«
» Warum gehst du nicht einfach durch die Tür?«
» Ich habe nichts mehr, um mich unsichtbar zu machen. Oder gibt es ein schönes Wort dafür, das du mir sagen kannst?«
» Unsichtbar?« Sion Ran starrte ihn an.
» Ich bin ein Zauberer. Die machen sich nun mal hin und wieder unsichtbar, wenn es ihnen nützlich erscheint. Ich habe immer so ein lustiges Pulver benutzt, aber das ist leider verbraucht. Meine Meisterin kann kein neues herstellen.«
» Unsichtbarkeit«, flüsterte der Drache. » Damit haben selbst die Meister Schwierigkeiten. Ein Wort, das deine Zunge zu Asche verbrennen würde. Nein, ich sage es dir nicht. Ein Zauber dieser Art würde dich von innen verglühen lassen.«
» Ich dachte, es ist nur ein Schleier, den man über die Dinge legt. Ist das so viel schwerer, als Fäden reißfest zu
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