Die Drachenjägerin 3 - Winter, M: Drachenjägerin 3
Darunter sind einige Spiegelschuppen.«
» Was? Spiegel?«
» Schuppen, die bereits mit einem Zauber belegt sind. Durch die wir das Schloss und alles, was darin vor sich geht, beobachten können. Chamija wird morgen gekrönt, das ist eine Tatsache.«
» Die letzten verbliebenen Fürsten sind an sie herangetreten und haben es ihr angeboten«, ergänzte Scharech-Par. » O ihr Götter! Das wird eine Feier, wie es sie noch nie gegeben hat! Nehmt diesen Mantel hier, auf dem Flug wird es sicher kalt. Wir werden sehr schnell fliegen müssen. Ihr habt noch nicht gegessen, das ist gut, angesichts der Reise, die uns bevorsteht. Wir brechen sofort auf.«
» Ja, ich … ja.«
Linn wollte sich umdrehen und Nival suchen. Wo war Gah Ran? Er musste mit ihr nach Lanhannat, sonst hatte sie keine Chance, mit der Kette zu entkommen, und nur Nival konnte dem Drachen Bescheid geben. Doch Wea fasste sie am Arm und führte sie zum Fenster hin. Scharech-Par öffnete es weit, und dahinter, auf einer Art Balkon, stand die goldene Sänfte bereit, die Linn schon einmal gesehen hatte. Damals waren Charrin und der König von Tijoa darin geflogen, und Chamija war hinausgefallen. Heute war sie selbst an der Reihe.
» Damit? Jetzt?«
» Ganz recht«, bestätigte Wea. » Damit. Jetzt. Sofort.«
12
Trotz seiner anfänglichen Begeisterung hasste Rinek das Labyrinth mittlerweile. Er hasste die Dunkelheit, die hinter dem Schein der magischen Lampe lauerte, die Geräusche, deren Urheber nie sichtbar wurden, das leise Trippeln und Scharren, das Flüstern und Knistern. Der Wind sang und heulte in den Schächten und Höhlen. Obwohl eigentlich keine ängstliche Natur, blickte er häufig über die Schulter und stellte sich vor, dass arme Seelen hier umherirrten, die nie den Ausgang fanden, die im Netz der weitverzweigten Gänge im Kreis gingen, bis nichts mehr von ihnen übrig war als ihre Schritte und ein hoffnungsloses Stöhnen.
Auf seine eigene Befindlichkeit konnte er keine Rücksicht nehmen. Wenn Chamija den Zaubermantel gestohlen hatte, hieß das, dass sie die Verschwörer kannte. Warum sie noch keinen von ihnen festgenommen hatte, war ihm ein Rätsel. Wartete sie ab, bis sie die Macht in den Händen hielt, um dann ein Exempel an ihnen zu statuieren?
Die Zeit lief ab. Heute wurde die Zauberin gekrönt, also musste er heute dafür sorgen, dass ihre Herrschaft endete. Nein, schon wieder war er seinen eigenen Ängsten in die Falle gegangen. Richtig musste es heißen: Heute würde er sie töten.
Umhang hin oder her. Dann würde er sie eben überrumpeln, bevor sie merkte, was geschah. Ein sauberer Stich ins Herz, dazu musste sie nicht einmal gelähmt sein. Wieder bedauerte er, dass er sich nicht unsichtbar machen konnte.
» Hara.« Ein neues Zauberwort, das ihm Sion Ran verraten hatte, lenkte Rineks Schritte. Trotzdem durchströmte ihn die Erleichterung, als er an die erste Treppe kam, die eindeutig zum Schloss gehörte. Er stieg hinauf, gelangte in einen gemauerten Gang und arbeitete sich in belebtere Bereiche vor. Als er am Eingang zur Gruft der Könige anlangte, war es schon fast, als sei er zu Hause. Entschlossen schlich er vorwärts.
Ein paar bewachte Türen galt es zu überwinden, doch es genügte, sie einen Spalt breit aufzuschieben und hindurchzuschlüpfen, und wieder einmal war er für seinen lebendigen Fuß dankbar, der ihn nicht durch das laute Klacken verriet, wie früher das Holzbein. Einige Male musste er seine Krücke einsetzen, die er als Schlagstock dabeihatte. Mehr brauchte er nicht, um ein Krieger zu sein – die Krücke und das Messer. Es war zu schaffen. Er musste nur schnell sein. Und durfte nicht zögern.
Das Schloss befand sich in heller Aufruhr, überall herrschte ein Kommen und Gehen, und eine seltsame Aufgeregtheit hatte sich der Bewohner bemächtigt. Sie schienen fast vergessen zu haben, dass es die verhasste Tijoanerin war, die heute gekrönt werden wollte, um sich Larans leibhaftigem – angeblichem – Erben entgegenzustellen. Trotz der schweren Zeiten fand Rinek herausgeputztes Volk vor, Fahnen und Tücher mit dem Wappen des Königshauses, edelsteinbehängte Adlige scharten sich im Thronsaal zusammen und rangelten miteinander, um sich die besten Plätze zu sichern. Die Fürsten, die die Krönung vornehmen sollten, warteten zu beiden Seiten des Throns. Rinek kannte sie nicht. Ernst und blass standen sie da und wirkten alles andere als glücklich. Falls Chamija sie mit einem Bann belegt hatte, betraf er wohl nur
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