Die Drachenjägerin 3 - Winter, M: Drachenjägerin 3
Er hätte schwören können, dass ihre Stimme irgendwie glitzerte.
» Sie übertreibt«, knurrte Agga. » Mit so ziemlich allem.«
» Tut sie nicht«, widersprach er. » Vermutlich kommt das mit den tausend Jahren sogar hin.«
» Eine Zauberin?«, vermutete sie. » Hast du Chamija gegen eine neue Hexe eingetauscht? Wirst du sie deshalb nicht los?«
» Sie ist mein Drache.«
Agga brauchte eine Weile, um diese Information zu verdauen. » Dein Drache.«
» Ganz recht. Gegen den ich beim Hohen Spiel gewonnen habe. Ich bin für ihr Leben verantwortlich und sie für meins, und da wir nun beide gejagt werden, wird sie bei uns bleiben müssen.«
» Stimmt irgendetwas mit deinen Augen nicht? Sion ist eine sehr lebendige junge Frau, an der mein einziges Ersatzkleid klebt, und ganz gewiss kein uralter Drache. Für mich sieht sie jedenfalls so aus.«
Er lächelte nur.
Sie sprachen nicht weiter darüber, während sie den Alten halfen, ihre Matten zu einem Lager aufzubauen. Es kam Rinek nicht nur wie ein Nachtlager vor, wie ein Unterschlupf vor ihren Feinden in Sicherheit und Wärme, sondern mehr noch wie ein Basislager, von dem aus sie ihren Kampf führen würden.
Dort oben war immer noch eine Aufgabe zu erledigen.
Lireck öffnete den Käfig und ließ die Drossel eine Runde über den See fliegen. Sie flötete trillernd, dann platschte es, und Stille trat ein.
» Oh«, sagte Sion laut. » Das ist eine dumme Angewohnheit von mir. Alles zu jagen, was in mein Blickfeld gerät.«
Die Alten starrten sie in stummem Entsetzen an, als sie triefend ans Ufer kam, in er einen Hand einen augenlosen Fisch, in der anderen den Vogel, dessen Köpfchen hin und her schwang. » Wer mag? Oder wollt ihr lieber das Schwein schlachten?«
» Sie konnte sprechen«, flüsterte Lireck fassungslos.
» Sie hat unsere Drossel umgebracht!«, brauste Agga auf. » Und sie lächelt dabei! Wie kann diese Person es wagen … Rinek!«
» Du hättest den Vogel nicht töten dürfen.«
Er empfand den Schrecken der Alten, als wäre es sein eigener Verlust, aber Sion lachte nur.
» Viel ist nicht dran an so einem kleinen Vieh, das ist wahr. So, wo ist das Feuer?«
» Wir haben keins«, sagte Lireck mit belegter Stimme. » Und kein Brennholz. Außerdem ist Rauch hier unten übel, wo er nicht abziehen kann. Ich habe genug von Rauch.«
» Für einen heißen Stein könnte ich sorgen«, sagte Sion.
Sie war so rücksichtsvoll, aus dem Lichtschein zu verschwinden. Rinek vermutete, dass sie das Kleid ausziehen musste, bevor sie sich verwandelte, aber um Agga nicht zu erzürnen, ging er nicht nachsehen. Es folgten einige merkwürdige Geräusche aus dem Dunkel, ein Rauschen und Fauchen. Das Schwein quiekte erschrocken.
Dann kehrte Sion zurück, einen glühend heißen Stein in den bloßen Händen, den sie vor dem Lager auf den Boden legte. Sie rupfte den Vogel, während die übrigen schreckensstarr zusahen. Am Ende teilten sie sich zu fünft den Fisch, keiner wollte auch nur einen Bissen von der Drossel probieren, sodass die Drachenfrau den winzigen Braten für sich alleine hatte. Zu trinken gab es hier genug. Sie füllten die Becher mit dem Wasser, das über die Felsen rann, und da Rinek Kasidovs Husten gelindert hatte und auf Borlins Klagen über die Gicht eingegangen war, herrschte nach der Mahlzeit Stille.
» Das ist ja wohl nicht wahr«, meinte Sion. » Das war nur eine dumme kleine Drossel. Werdet ihr mich jetzt mit Schweigen strafen für ein Versehen, für das ich mich bereits entschuldigt habe?«
» Wir trauern wegen Mora«, sagte Agga würdevoll. Die Alten seufzten und begannen, Erinnerungen auszutauschen. Lireck fragte, warum immer die anderen gehen mussten, Borlin beklagte sich bitterlich, warum sie immer noch hier waren und warteten, und Kasidov warf wieder einmal die Frage in den Raum, ob die Götter sie vergessen hatten.
Obwohl das magische Licht ausdauernd leuchtete, empfand Rinek die vielen Schichten aus Gestein und Erde über ihnen als drückend und dunkel. Es war, als wäre die Welt draußen eine andere, an der sie keinen Anteil mehr hatten, und als kämen alle Erinnerungen daran aus einer anderen Zeit, die viel, viel länger zurücklag als nur einen Tag.
Sion rückte immer näher an Rinek heran. Er wollte sie schon darauf aufmerksam machen, dass diese Nähe unangemessen war und vielleicht missverstanden werden könnte, da flüsterte sie ihm ins Ohr: » Wir werden beobachtet.«
Rinek erschrak. » Von wem?«
» Ich höre etwas. Ein Atmen.
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