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Die Drachenkämpferin 01 - Im Land des Windes

Titel: Die Drachenkämpferin 01 - Im Land des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Licia Troisi
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für euch beide. Ab morgen gibt es keine Kette mehr. Wenn er mich tötet, ist das meine Sache. Und wenn er ausreißt, spreche ich euch schon im Voraus von jeder Schuld frei. Ich übernehme die Verantwortung.«
    Die beiden Helfer machten, dass sie fortkamen.
    Nihal drehte sich zu Oarf um: Er war dabei, sich die verwundete Pfote zu lecken, und bemühte sich vergeblich, mit seiner Zunge unter die Kette zu kommen. Oarf nahm wieder seine Angriffshaltung ein, doch Nihal war schon sehr nahe bei ihm. Der Drache stieß ein warnendes Brüllen aus.
    Als er gerade Anstalten machte, seinen flammenden Atem auszustoßen, ließ Nihal einen mächtigen Schwerthieb niederfahren. Mit einem Schlag durchtrennte sie die Eisenmanschette um seine Pfote und entdeckte darunter eine große eiternde Wunde. Oarf war vollkommen überrascht von ihrem Tun und mehr noch von der Tatsache, dass sie jetzt vor ihm niederkniete und die Hand zu seiner Pranke ausstreckte.
    Gleich darauf verspürte er schon eine unerwartete, wohltuende Wärme an der verletzten Körperstelle, und die Schmerzen ließen nach.
    Nihal spürte die Erleichterung des Drachen.
    Er senkte seinen großen smaragdgrünen Kopf und sah, dass Nihals Hände ein schwaches rötliches Licht ausstrahlten. Unwillkürlich zog er sich zurück - er wollte ja keine Hilfe, doch es geschah halbherzig, und Nihal kam wieder näher an ihn heran und behandelte ihn weiter.
    Oarf sah ihr zu. So liebevoll war ihm schon lange niemand mehr gegenübergetreten. Und so geschah es, dass sich der Drache Nihals Gefühlen öffnete. Er spürte ihre Traurigkeit, ihre Verwirrung, ihren Schmerz. Er nahm ihre Erinnerungen wahr, die Zuneigung, die in ihrem Tun lag.
    Nihal war nicht fachkundig genug, um einen Heilzauber über längere Zeit aufrecht zu erhalten, doch als ihre Kraft nachließ, war die Wunde nicht mehr entzündet. Schweißnass setzte sie sich auf den Boden: Dieser kleine Zauber hatte sie beträchtliche Mühe gekostet.
    Oarf schnüffelte neugierig an ihr: Wie zierlich sie doch waren, die Geschöpfe jenes Landes ...
    Ein Lächeln andeutend, stand Nihal auf. »Du verdankst mir deine Freiheit. Sei also ab jetzt bitte ein wenig freundlicher zu mir.«
    Und zum ersten Mal kehrte Oarf freiwillig in seinen Stall zurück.
    Und ebenfalls aus freien Stücken betrat er am nächsten Tag die Arena. Nihal ging auf ihn zu und streckte ihm die Hand entgegen. Sie hatte noch nie einen Drachen gestreichelt. Noch nicht einmal Vesa hatte sich je von ihr berühren lassen, obwohl er sichlängst an ihre Gegenwart gewöhnt hatte.
    Empört wich Oarf ein Stück zurück.
    »He, was soll das heißen? Ich habe dich befreit, ich habe deine Wunde geheilt ..., eine kleine Liebkosung musst du mir da schon gestatten, Oarf!«
    Der Drache grunzte und schüttelte heftig den Kopf.
    »Ach, zier dich nicht so, du wirst sehen, es gefällt dir.«
    Wieder streckte Nihal ihre Hand aus, die vor Aufregung zitterte. Ihre Finger streiften Oarfs Haut: sie war ledrig und feucht, fühlte sich aber dennoch angenehm an. Jetzt legte Nihal die ganze Handfläche auf die Brust des Tieres und spürte sofort ein rhythmisches, kräftiges Pochen. Das Leben, das war das Leben. Sie begann, mit der Handfläche in immer weiter ausholenden Bewegungen über seine schuppige Flanke zu fahren.
    Oarf rührte sich nicht.
    Er schien zu lauschen: Noch niemals hatte ihn jemand gestreichelt.
    Es war sanft, es war angenehm. Diese kleine Hand fühlte sich wohltuend frisch an. Und dieses Geschöpf war so freundlich zu ihm. Und das, obwohl ihm Hass nicht fremd war. Er hatte das sofort gespürt, schon als er sie zum ersten Mal sah. Dieses Wesen war zäh, voller Groll und Traurigkeit. So wie er.
    Vielleicht konnte er tatsächlich noch einmal Vertrauen zu den Menschen fassen. Er bekam Lust, die Flügel zu spreizen und einfach loszufliegen, sich vom Wind tragen zu lassen, so wie er es als junger Drache getan hatte ...
    »Auch ich habe immer davon geträumt, fliegen zu können«, murmelte sie, während sie ihn streichelte.
    Ihr gefiel der Kontakt mit den Schuppen.
    Nun war es wirklich ihr Drache.
    Es kam ihr unglaublich vor, dass sie es geschafft hatte: Sie war dabei, einen Drachen zu streicheln. Ihren Drachen. Und eines Tages würde sie auf ihm reiten.
    Einen Augenblick lang fand Nihal jenen Teil ihrer selbst wieder, den sie in der Feuersbrunst ihrer Heimatstadt verloren hatte. Sie fühlte sich wieder frei, und ihr ganzes Leben lag noch vor ihr, ein Leben, dessen Verlauf nicht vorgezeichnet war.

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