Die Drachenkämpferin 01 - Im Land des Windes
krallten, konnte Nihal seine Muskeln spüren, die sich mit dem Schwingen der übergroßen Flügel, die viermal so lang wie der Drachenrumpf waren, anspannten und entspannten.
Entsetzen hatte Nihal gepackt, ihr Magen war aufgewühlt, und ihr Herz raste wie wild. Sie bemerkte nicht, wie Ido aus der Kommandantur trat und mit weit aufgerissenen Augen zu ihnen hinauf schaute, und sie hörte auch nicht die Flüche, die er ihr und diesem verfluchten Tier entgegen brüllte.
Oarf seinerseits amüsierte sich prächtig.
Seit langer Zeit schon war er nicht mehr geflogen, und in vollen Zügen genoss er das erfrischende Gefühl des Windes auf seiner Haut, den Tiefflug, die Freude, sich von den Luftströmungen tragen zu lassen. Seine dreiste Passagierin hatte er ganz vergessen. Mit der Tollkühnheit eines gerade flügge gewordenen Drachen gab er sich seinen Spielen hin, stieg mal auf, ließ sich dann wieder kopfüber hinunterfallen, verlangsamte seinen Flug, um im nächsten Moment wieder rasant zu beschleunigen. Auf dem Gipfel der Begeisterung begann er, am Himmel fröhlich um die eigene Achse zu rotieren und einen Salto nach dem anderen zu drehen.
Das war zu viel für Nihal: Himmel und Erde gingen ineinander über und wechselten fortwährend die Positionen. Oben und unten waren nicht mehr zu unterscheiden. Ihr schwindelte, ihre Hände lösten sich, und sie stürzte ins Leere.
Ein heftiger Wind packte sie. Sie schrie, konnte aber nicht einmal mehr die eigene Stimme hören. Dann schloss sie die Augen. Was für ein dummer Tod, dachte sie noch. Im nächsten Moment schlug sie auf etwas Hartem, Schuppigem auf.
Der Drache, auf dessen Rücken sie lag, flog sanft durch die Lüfte gleitend zum Hauptlager hinunter.
In der Arena war eine Menschenmenge zusammengelaufen.
Behutsam setzte Oarf auf und kauerte sich dann so zusammen, dass man Nihal herunterheben konnte. Es gab Applaus für die Halbelfe, die ihren ersten Flug überstanden hatte, und viele Komplimente für den Drachen, der sie gerettet hatte. Während man ihr hinunterhalf, flüsterte eine verwirrte Nihal, der alle Knochen im Leibe schmerzten: »Du hast mir das Leben gerettet, Oarf. Nun bist du erst wirklich mein Drache.« Doch Oarf wandte sich nur ab und entfernte sich.
Kaum hatte sie festen Boden unter den Füßen, da klatschte ihr auch schon eine schallende Ohrfeige ins Gesicht. »Verflucht noch mal. Musst du denn bei allem, was du tust, dein Leben aufs Spiel setzen? Wann willst du endlich zur Besinnung kommen?« Ido entriss sie den Händen derer, die sie gestützt hatten. Und sogleich sackte Nihal in die Knie: Ihre Beine wollten gar nicht mehr aufhören zu zittern.
»Aber du hattest doch nie Zeit... und ich glaubte, dass ...«
Fluchend fiel ihr Ido ins Wort. »Zur Hölle noch mal, du hättest warten müssen. Aber nein, immer musst du deinen Kopf durchsetzen!«
Der Gnom zwang sie aufzustehen.
Nihal verspürte einen dumpfen Schmerz am ganzen Leib und konnte kaum gehen. Dessen ungeachtet schleifte Ido sie am Arm durchs gesamte Lager bis zu einem niedrigen Gebäude, das etwas abseits der anderen stand.
Es hatte nur wenige Fenster und die waren vergittert.
Erst als ein Soldat schon ihre Zelle verriegelte, versuchte Nihal, ihren Lehrer umzustimmen: »Ich bitte dich, Ido ... Ich wollte doch nichts Unrechtes tun ...« »Hier hast du genug Zeit, dir ein paar Gedanken zu machen«, sagte der Gnom unbeeindruckt und entfernte sich.
Nihal lehnte sich an die Wand.
Ihr Rücken tat höllisch weh.
Sie streckte die Hand aus, um sich dort abzutasten, und verspürte sofort ein heftiges Brennen. Als sie die Hand zurückzog, sah sie, dass sie voller Blut war.
Aber Nihal war zu erschöpft, um einen Heilzauber zu versuchen, streckte sich nur bäuchlings auf dem Boden aus und schlief bald ein.
Als sie einige Stunden später erwachte, spürte sie etwas angenehm Kühles auf ihrem Rücken. Langsam drehte sie den Kopf und öffnete ein Auge: Ido war damit beschäftigt, ihren wunden Rücken mit einer Salbe zu bestreichen. Sie rührte sich nicht. Der Gnom sollte nicht merken, dass sie wach war. Mehr als die Verletzung schmerzte sie das Wissen, dass ihr Lehrer diesmal wirklich Recht hatte.
»Gut geschlafen?«, fragte Ido.
Nihal schwieg.
Ido rieb die Salbe nur ein klein wenig heftiger ein, und Nihal stöhnte leise auf. »Du hast das ganze Lager in Aufruhr versetzt, hast gegen meine Anordnungen verstoßen und dich wieder mal wie eine Närrin benommen. Ich weiß nicht mehr, wie ich es dir noch
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