Die Drachenkämpferin 01 - Im Land des Windes
hilft sie dir, deine Aufgabe besser zu erfüllen. Wenn du zulässt, dass sie dich beherrscht, bringt sie dich ins Grab. Nein, sie hatte keine Angst.
Nur noch intuitiv wich sie den Hieben aus.
Ich werde sterben, dachte sie.
Sie fühlte nichts. Bloß einen lästigen Schmerz an dem verwundeten Bein. Mit einem Male erfasste eine mächtige Flamme einige der Fammin, und fast gleichzeitig spürte Nihal, wie sie an den Haaren gepackt wurde. Mit letzten Kräften klammerte sie sich an die Hand, die sie hielt, und im nächsten Augenblick schon saß sie auf Vesas Rücken.
Vor Wut heulend stürzten sich die anderen Fammin auf den Drachen. Ein Axthieb traf Ido am Arm, doch der Gnom kümmerte sich nicht darum. Während Vesa Feuer und Flammen spuckte, zog der Ritter sein Schwert und begann, auf die Fammin einzuschlagen. In einem mächtigen Schwall trat das Blut aus seiner Wunde, doch er kämpfte unverdrossen weiter und presste gleichzeitig noch mit dem freien Arm das Mädchen an sich, um es vor den Pfeilen zu schützen.
Nihal blickte zu ihrem Lehrer auf. Obwohl sie ihm nicht gehorcht hatte, hatte er sich aufgemacht, sie zu retten, und setzte sein Leben für sie aufs Spiel.
Was ist nur los mit mir? Warum hatte ich keine Angst? Warum habe ich mich den Befehlen widersetzt?
Plötzlich wurde ihr bewusst, wie unerhört das war, was sie getan hatte. Und Tränen flössen ihr über die von Blut und Staub verdreckten Wangen.
Schließlich schafften sie es aufzusteigen. Von oben erkannte Nihal, dass der Plan, den Gegner einzukreisen, fehlgeschlagen war. Eine Gruppe in vorderster Front drohte vom Feind isoliert zu werden.
Sie schloss die Augen und weinte leise weiter.
Kaum waren sie hinter dem Schlachtfeld gelandet, stieß Ido sie unsanft aus dem Sattel, so dass sie einem Soldaten vor die Füße rollte.
»Steck sie in die Zelle zu den anderen Gefangenen«, befahl er.
»Aber ... gehört die nicht zu uns?«
»Tu, was ich dir sage«, herrschte der Gnom den Mann an, während er schon wieder aufstieg, um zum Schlachtfeld zurückzufliegen.
Nihal wehrte sich nicht, als der junge Soldat ihren Arm ergriff und sie zu einer Art großem Käfig schleppte.
Sie weinte weiter und hörte auch nicht auf, als sie merkte, dass ihre Mitgefangenen fünf Fammin waren. Die Ungeheuer sahen sie nicht an, verhöhnten sie nicht, sondern saßen nur zusammengekauert, leidend, da.
Nihal suchte sich die entfernteste Ecke des Käfigs, hockte sich auf den Boden und vergrub das Gesicht zwischen den Knien, um die Bestien nicht sehen zu müssen. Da geschah etwas Eigenartiges: Plötzlich spürte sie, wie von diesen fünf Gefangenen ausgehend ein Strom hoffnungslosen Schmerzes sie erreichte, ein tief empfundenes Leid, das sie diesen Kreaturen niemals zugetraut hätte.
Nihal war erschüttert.
Ihr Bein zitterte, sie hatte viel Blut verloren. Nicht einmal mehr die Kraft hatte sie, einen Heilzauber zu sprechen.
Sie fühlte sich nur allein und verlassen. Sennar . . .
Und langsam verlor sie die Besinnung.
Nach einigen Stunden in dem Käfig wurde sie zum Feldlazarett gebracht, wo man die Wunde versorgte, die sich als nicht sehr tief herausstellte.
Da sie sich ein wenig besser fühlte, wollte sie vom Hügel aus, der das Gelände überragte, den Fortgang der Schlacht mitverfolgen. Den ganzen Tag brachte sie dort oben zu und erlebte mit Tränen in den Augen das Debakel ihres Heeres mit.
Die Schlacht dauerte zwei Tage,- zwei Tage nichts als Kämpfe, Blut und Tod. Und sie endete mit einer verheerenden Niederlage: Nicht einmal eine Elle Boden machte das Heer der freien Länder gut, und auf dem Schlachtfeld blieben viele hundert Gefallene zurück.
Mit ihren Verwundeten kehrten die Truppen zum Hauptlager zurück. Mühsam schleppte sich Nihal dahin, wollte aber von niemandem Hilfe annehmen. Langsam, den Kopf leer, folgte sie jetzt demselben Weg, den sie zwei Tage zuvor mit so großer Ungeduld beschritten hatte.
Wie üblich mit der Pfeife im Mund, erwartete Ido sie in der Hütte. Er saß auf einem robusten Sessel aus Holz, mit einigen Kissen als Rückenlehne. Der breite Verband um seine Brust und einen Arm war an mehreren Stellen blutdurchtränkt.
Den Kopf gesenkt, unfähig, ihm in die Augen zu schauen, trat Nihal ein. Heftiger als gewöhnlich zog der Gnom an seiner Pfeife und stieß dichte Rauchwölkchen aus, die sich rasch in der kalten Luft im Raum auflösten. Eine Weile, die Nihal endlos vorkam, blickte er sie nur finster an. Endlich nahm er die Pfeife aus dem Mund.
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