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Die Drachenkämpferin 01 - Im Land des Windes

Titel: Die Drachenkämpferin 01 - Im Land des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Licia Troisi
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wünschte sich, dass die Hände, die sie jetzt berührten, die seinen wären. In Gesellschaft ihres Freundes hätte sie diese Stunden als weniger trostlos empfunden.
    Am späten Nachmittag schaute Ido noch einmal im Lazarett vorbei.
    Als er eintrat, lag sie auf der Seite und blickte aus dem Fenster. Es war alles so ruhig dort draußen ... Es kam ihr so vor, als ähnele diese weiße, schlafende Landschaft ihrer Seele. Das Weinen hatte sie erschöpft. Jetzt war sie ruhig.
    »Nihal ...«
    Das Mädchen drehte sich zu ihrem Lehrer um. »Ich muss mir dir sprechen.« Ido setzte sich zu ihr auf die Pritsche. Nihal wartete schweigend.
    »Ich glaube, es ist besser, wenn du dich eine Weile vom Kriegsgeschehen fernhältst.« Ein bitteres Lächeln stahl sich in Nihals Gesicht, während ihr bereits wieder die ersten Tränen in die Augen traten. »He, ich jage dich ja nicht davon! Aber im Moment hat es nicht viel Sinn, dass du dich hier aufhältst. Ich denke, du solltest Abstand gewinnen und eine Art Urlaub nehmen. Wenn du natürlich bleiben willst, kann und will ich dich nicht zwingen fortzugehen. Aber wenn du wirklich die Gründe für dein Handeln herausfinden möchtest, solltest du uns eine Zeitlang verlassen.«
    Nihal blickte ihn an. »Aber ich brauche jemanden, Ido. Alleine schaffe ich es nicht.«
    »Das stimmt nicht, und das weiß du auch. Du bist stark, du schaffst das. Ich selbst kann dir nicht mehr helfen, als ich es getan habe. Jetzt liegt es an dir, die richtigen Entscheidungen zu treffen: Willst du diese Denkpause, oder nicht?«
    Unschlüssig starrte Nihal auf ihre Bettdecke. Vielleicht hatte Ido Recht. Sie brauchte Zeit zum Nachdenken. Sie musste für sich allein sein. »Kann ich solange fortbleiben, wie ich mag?«
    »Du hast alle Zeit der Welt. Ich werde auf dich warten.«
    Nihal nickte.
    Sie beschloss, gleich am nächsten Morgen in aller Frühe aufzubrechen. Ihr war klar geworden, wie viel ihr an Ido lag, und sie wollte sich gar nicht von ihm verabschieden: Sie hatte schon zu viele Abschiede erlebt, einen weiteren würde sie nicht ertragen. In ihren Umhang gehüllt, schlich sie im Morgengrauen aus dem Lazarett. Es war sehr kalt. Durchs Fenster, bemüht, keinen Laut zu machen, stieg sie in die Hütte ihres Lehrers ein.
    Sie besaß nicht viel, was sie mitzunehmen hatte. Ein paar Kleider, ihr Schwert. Und das Pergament mit der Zeichnung von Seferdi. Jenem zerschlissenen Blatt kam nun eine doppelte Bedeutung zu: Es war alles, was ihr von ihren Wurzeln geblieben war, und gleichzeitig das einzige greifbare Andenken an Sennar. Lange blickte sie es an und fragte sich, was sie falsch gemacht hatte.
    Ob dieses Blatt tatsächlich das ganze Geheimnis ihres Daseins barg? Das hatte sie jedenfalls häufig gedacht, aber nun war sie sich in gar nichts mehr sicher. Vorsichtig rollte sie das Pergament zusammen und steckte es zu den Kleidern in das Bündel, das ihr ganzes Gepäck war.
    Ihr Weg führte sie an den Ställen vorbei: Sie konnte doch nicht weggehen, ohne sich von Oarf zu verabschieden.
    Sie fand ihren Drachen schlafend vor. Wie er so dalag, kam er ihr fast gutmütig vor, und sie streichelte ihn sanft.
    Der Drache erwachte. Mit der Zeit hatte er dieses Mädchen zu verstehen gelernt und wusste, wie viel sie litt. Er blickte sie an und begriff, dass sie ihn verlassen würde.
    Nihal streichelte ihn fester. »Ich muss fort, Oarf. Ich muss herausfinden, was ich wirklich will. Erst dann können wir zusammen fliegen.«
    Oarf wandte die Schnauze ab und entzog sich ihrer Hand. Da umschlang Nihal seinen Hals und legte ihren Kopf auf seine Brust. »Verzeih mir. Aber ich komme zu dir zurück.«
    Oarf legte seine Schnauze auf Nihals Kopf, und so verharrten sie eine Weile: ein Drache und ein Mädchen, ganz eng beisammen.
    Die Sonne begann schon den vom Schnee fahlen Himmel zu erhellen, und bald würde das Lager erwachen.
    Nihal nahm sich ein Pferd und schwang sich mit einiger Mühe, denn ihr Bein schmerzte wieder, in den Sattel.
    Kaum hatte sie das Lagertor durchritten, da trieb sie das Pferd an und hielt im Galopp auf den Wald zu.
    Als Ido erwachte, hatte er bereits eine Vorahnung.
    Ohne sich anzuziehen, lief er barfuß durch den weichen Schnee zum Lazarett hinüber. Nihals Feldbett war leer.
    Er verfluchte sich tausendmal, weil er mit Nihal über die Möglichkeit eines Weggangs gesprochen hatte, bevor sie überhaupt wiederhergestellt war.
    Weiter auf sich und alle Götter fluchend, lief er in die Hütte zurück und stürzte in Nihals

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