Die Drachenkämpferin 01 - Im Land des Windes
hatte sie zu nichts mehr Lust. Sie verbrachte die Stunden bei Oarf, blickte ihn einfach nur an, während er sie mit fragender Miene musterte.
Zu Ende der zweiten Woche kam sie zu dem Schluss, nun für ihr Vergehen hinreichend gebüßt zu haben. Es wäre nun an der Zeit, dass Ido sie wieder mit der Arbeit beginnen ließe. Das Bild, wie sich Sennar mit dem Schnitt in der Wange von ihr abwandte und von dannen ging, musste sie aus ihrem Kopf verbannen. Sie wollte wieder kämpfen. Sie brauchte das. Und so beschloss sie, mit ihrem Lehrer zu reden.
Als sie zum ihm trat, war er gerade damit beschäftigt, seine Rüstung zu polieren. »Wäre das nicht meine Aufgabe?«, fragte sie.
Ido antwortete nicht.
Also kam Nihal sofort zur Sache. »Ich wollte dich um Verzeihung bitten, Ido. Ich gebe zu, ich habe mich furchtbar töricht benommen. Das wird nicht wieder vorkommen, das verspreche ich dir. Ich will mich fortan bemühen, dir immer zu gehorchen. Aber ich bitte dich, lass uns wieder mit dem Training beginnen.«
Der Gnom fuhr ungerührt fort, den Brustharnisch seiner Rüstung auf Hochglanz zu bringen.
»Ido?«
»Ja, Nihal?«
»Ich bitte dich, gib mir noch eine Chance.« Ido wandte ihr noch nicht einmal den Blick zu. »Nein, Nihal.«
Das Mädchen war getroffen, gab aber noch lange nicht auf. »Warum denn nicht?« »Du denkst, es reicht, hier wie ein Unschuldslämmchen mit frommer Miene aufzutauchen, und alles ist wieder gut.«
»Das denke ich gar nicht, Ido. Ich möchte einfach nur ein Drachenritter werden, und ich schwöre dir, ich hab wirklich Vertrauen zu dir. Nur zu dir. Ich will dir gehorchen. Es war doch nur, weil ich es nicht mehr abwarten konnte. Ja, es war so dumm von mir, ich weiß. Aber ...«
Ido war jetzt zu den Beinröhren übergegangen. »Morgen ziehe ich in die Schlacht. Wir reden noch mal darüber, wenn ich zurück bin.«
»Was soll das heißen, du ziehst in die Schlacht?«
Jetzt hob Ido endlich den Blick und sah ihr fest in die Augen. »Das heißt, dass ich und die anderen kämpfen werden.«
Nihal traute ihren Ohren nicht. »Und mich lässt du hier einfach zurück?«
»Ja. Ich nehme nur Krieger mit, denen ich vertrauen kann. Dich habe ich falsch eingeschätzt: Du bist noch ein kleines Mädchen, das sich nicht unter Kontrolle hat und immer das tut, was es sich gerade in den Kopf gesetzt hat.«
Nun gab Nihal jede Zurückhaltung auf. »Aber das kannst du mir nicht antun. Ich muss kämpfen! Du weißt, wie wichtig das für mich ist!«
»Eben weil ich das weiß, halte ich es für besser, dass du dich mal eine Zeitlang davon löst. Es gibt noch andere Dinge als den Krieg. Das musst du erst begreifen. Auch für dich gibt es einen sicheren Platz auf dieser Welt, einen Platz, wo du dich zu Hause fühlen kannst.«
Doch Nihal verstand ihn nicht, sie wollte ihn nicht verstehen. »Du bist ungerecht, so furchtbar ungerecht!«, schrie sie.
Doch Ido ließ sich nicht erweichen.
Nihal gab auf, rannte in ihr Zimmer und schloss sich ein.
Heimlich bereitete sie alles vor: Sie polierte ihr Schwert und legte ihre Kampfmontur auf dem Bett zurecht. In der Nacht tat sie kein Auge zu, sondern lauschte auf die Geräusche von Idos Vorbereitungen für die Schlacht.
Es war ihr gleich, was ihr Lehrer sagen würde, und auch, gegen wen sie kämpften und wie der Schlachtplan aussah. Für sie war das Maß voll. Jetzt galt nur noch: kämpfen, und das sofort.
Sie hörte, wie Ido vor dem Morgengrauen die Hütte verließ. Der Schnee fiel in dicken Flocken. Langsam setzten sich die Truppen in Marsch. Nihal warf sich ihren Umhang über und kletterte aus dem Fenster.
Um nicht erkannt zu werden, stieg sie über den Lagerzaun und lief von außen um das Lager herum.
Aus dem gleichen Grund hatte sie auch beschlossen, eine Rüstung zu tragen. Zwar würde sie sich dadurch in der Schlacht nicht mehr so leichtfüßig bewegen können, aber sie glaubte dennoch, damit zurecht zu kommen. Seit sie eine Kriegerin war, hatte sie schon weitaus schwierigere Probleme meistern müssen.
Am Waldrand wartete sie auf die Kolonne. Da ihr Umhang in der weißen Schneelandschaft zu stark auffallen würde, hatte sie beschlossen, in einiger Entfernung zu den anderen durchs Unterholz zu marschieren und sich auf ihr Gehör zu verlassen. Das hieß, sie würde sich am Marschschritt der Soldaten orientieren und ihnen so folgen können. Nach einiger Zeit tauchten die ersten auf, und kurz darauf zog die ganze Truppe an ihr vorüber. Es war ein großes Aufgebot und die
Weitere Kostenlose Bücher