Die Drachenkämpferin 01 - Im Land des Windes
»Kannst du mir mal verraten, was du dir dabei gedacht hast?«
Nihal hob den Blick. »Ich ... ich wollte kämpfen.«
Da polterte der Gnom los: »Du hast gegen meine Anordnungen verstoßen. Du hast dich dem Befehl zum Rückzug widersetzt, du hast in Kauf genommen, dass unsere gesamte Strategie zum Teufel ging, und damit dem Feind in die Hände gespielt. Begreifst du das, Nihal?!«
»Verzeih mir, Ido«, antworte Nihal mit kaum vernehmbarer Stimme, »ich wusste nicht, was ich tat ...«
»Ach, erzähl mir keine Geschichte. Du wusstest sehr genau, was du tatest! Ja, und ob du das wusstest! Soll ich dir mal sagen, warum du das getan hast? Weil dir nichts an deinem Leben liegt, und an dem anderer auch nicht. Du willst nichts anderes als töten. Du bist eine Mörderin.«
Nihal ballte die Fäuste. »Du irrst dich.«
»Ach, ich irre mich? Was unterscheidet denn das Heer der freien Länder von dem des Tyrannen? Los, sag es mir!«
Nihal überlegte, aber in diesem Moment, da Idos Worte sie so tief verletzten, fiel ihr keine Antwort ein. »Dass wir für die Freiheit kämpfen ...«, stammelte sie schließlich. »Ja, aber genauer weißt du es nicht. Denn das hast du dich nie gefragt, nicht wahr?«, fuhr Ido höhnisch fort. »Ja, gewiss, denn für dich zählt ja nur deine Rache!« »Das stimmt nicht«, widersprach Nihal heftig.
Ido sprang auf und richtete einen Finger auf sie. »Schweig! Der Unterschied zwischen denen und uns liegt darin, dass wir für das Leben kämpfen. Das Leben, Nihal! Das, was du nicht kennen willst und mit aller Macht verleugnest. Wir kämpfen, damit auf dieser Erde jeder sein Leben nach eigenen Vorstellungen gestalten kann, damit jeder selbst entscheiden kann, was er aus seinem Dasein machen will, damit niemand Sklave eines anderen ist und Frieden herrsche. Wir kämpfen für die Leute, die mit uns auf dem Platz getanzt haben, für den Kaufmann, der uns bei sich aufnahm, für die Mädchen, die mit unseren Soldaten schäkerten. Und wir kämpfen in dem Bewusstsein, dass Krieg etwas Entsetzliches ist und dass wir uns nur auf ihn einlassen, weil sonst die Welt, die wir lieben, dem Untergang geweiht wäre! Es ist kein Hass, der uns antreibt! Es ist die Hoffnung, dass das Grauen eines Tages ein Ende haben wird. Hass findet man nur auf Seiten des Tyrannen!«
Ido ließ sich in seinen Sessel fallen und sprach mit leiserer Stimme weiter: »Du hast kein Recht, hier zu sein. Du weißt noch nicht einmal, wofür du kämpfst. Das Einzige, was du weißt, ist, dass du sterben möchtest.«
»Nein! So bin ich nicht!«, schrie Nihal.
»Doch. Denn du hast Angst zu leben. Jedes Mal, wenn du in die Schlacht ziehst, hoffst du, dass dich ein Schwertstreich trifft und von der Verantwortung befreit, dich dem Leben stellen zu müssen. Glaubst du denn, es sei mutig zu sterben? Nein, sterben ist leicht! Zu leben verlangt Mut. Aber du bist ein Feigling, Nihal.« »Nein, ich werde nicht sterben, bevor ich nicht dazu beigetragen habe, diese Welt zu retten!«
»Aha, du hältst dich wohl für eine Heldin. Glaubst du das wirklich? Nein, das bist du nicht!«
Nihal fiel auf die Knie und hielt sich die Ohren zu, während ihr die Tränen in die Augen traten. »Sei still! Sei still!«
Ido stand auf und kam auf sie zu. Einen Augenblick lang glaubte Nihal, er wolle sie trösten, doch der Gnom ergriff nur ihr Hände und hielt sie mit Gewalt von ihren Ohren weg.
»Nein, du wirst mir jetzt zuhören! Ich habe geglaubt, in dir wäre ein guter Kern. Ich meinte, ihn zu erkennen unter einem Berg von Groll, und hoffte, ihn freilegen zu können. Aber du wolltest nie auf mich hören. Du hast immer nur so getan, als verstündest du, was ich von dir verlangte ...!«
»Nein! Nein!«
»Ich sag's dir noch mal. Hier ist kein Platz für dich. Wenn du kämpfen willst, so schließ dich dem Heer des Tyrannen an. Das passt besser zu dir. Es war deine eigene Entscheidung, eine Maschine des Todes zu werden: Und nun geh zu deinesgleichen.« Nihal schrie auf, während ihr die Tränen unaufhaltsam über die Wangen rannen. Ido stand vor ihr und blickte mitleidslos auf sie hinab. Sie kauerte sich auf dem Boden zusammen und weinte hemmungslos, von Schluchzern geschüttelt, weiter. Ihr war, als könne sie niemals mehr aufhören, als würden ihre Tränen bis in Ewigkeit nicht mehr versiegen.
Irgendwann hob sie ihr gerötetes Gesicht. »Was hätte ich denn tun sollen? Was nur?«, fragte sie ihren Lehrer. »Ich war doch noch ein kleines Mädchen, verstehst du? Ein
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