Die Drachenkämpferin 01 - Im Land des Windes
Marschkolonne entsprechend lang.
Sie wartete, bis das Ende sie erreicht hatte, und ging dann selbst los, zwischen den Bäumen entlang. Der Schnee knirschte unter ihren Füßen, aber die Geräusche gingen im Marschschritt der Kolonne unter. So huschte sie außer Sichtweite neben den anderen Soldaten durch den Wald, verstohlen wie ein Wiesel, das seiner Beute nachstellt. Undeutlich drang das Gemurmel der Gefährten an ihr Ohr, und sie versuchte, etwas davon aufzuschnappen, um vielleicht etwas über das geplante Vorgehen zu erfahren, doch die Kolonne war zu weit entfernt. Auch nicht schlimm, ich sehe ja dann, was los ist, wenn wir dort sind.
Es war ein langer Weg, und Nihal war nicht an das Gewicht der Rüstung gewöhnt, die sie noch am Morgen rasch aus der Waffenkammer entwendet hatte. Sie hatte nur geschätzt, dass sie ihr passen müsste, und spürte jetzt, da sie drinnen steckte, wie unbequem sie war: Sie drückte ihr auf den Busen, schlackerte an den Hüften und rieb an der Schulter.
Während der Himmel im Morgengrauen langsam heller wurde, fiel der Schnee ungerührt weiter. Es war ein Schauspiel, an das sie noch nicht gewöhnt war, denn im Land des Windes schneite es fast nie. Sie erinnerte sich noch an ihr Staunen und ihre Freude, als sie es zum ersten Mal in ihrem Leben schneien sah: Livon war mit ihr auf die Aussichtsterrasse von Salazar hinaufgestiegen, und sie hatte den Kopf in den Nacken gelegt, um den Flocken zuzuschauen, die wie Blütenblätter durch die Luft wirbelten. Dann öffnete sie den Mund und versuchte, unter dem Gelächter des Vaters, einige mit dem Mund aufzufangen und zu essen.
Einen Moment lang dachte sie auch an ihre erste Schlacht. Sie lag bloß einige Monate zurück, und doch hatte sich seitdem alles verändert.
Damals war sie aufgeregt gewesen, angespannt, ja, sogar verängstigt.
Nun marschierte sie einfach ihrem Ziel entgegen. Sie empfand nichts außer Ungeduld. Es war ein Marsch wie jeder andere, zu einer weiteren Schlacht. Mehr nicht. Als sie an ihrem Ziel eintrafen, mischte sich Nihal unter die anderen Fußsoldaten und huschte mit ihnen ins Lager.
Der Helm war noch genauso eineQual, wie sie es in Erinnerung hatte, drückte an den Ohren und schnürte ihr die Luft ab. Derart vermummt war sie in ihrer Bewegungsfreiheit doch stärker eingeschränkt, als sie gedacht hätte, aber sie freute sich, als sie merkte, dass sie ihren Platz in der Schlachtordnung selbst wählen konnte: Üblicherweise war es Ido, der ihr eine Aufgabe zuwies und sie unweigerlich in eine mittlere Linie steckte, wo weniger Einsatz verlangt war und weniger Gefahren drohten. Nun war niemand da, der über ihren Kopf hinweg entschied.
Ohne zu zögern reihte sie sich in der ersten Linie ein. Heute würde sie über sich selbst hinauswachsen.
Es war Vormittag, als sie zum Schlachtfeld vorrückten.
Bis zu diesem Tage hatte Nihal lediglich an Überraschungsangriffen oder begrenzten Aktionen teilgenommen, die das Ziel hatten, kleine, strategisch wichtige Stellungen zu befreien.
Dies hier war ein gänzlich anderes Unternehmen.
Zum ersten Mal stand sie geschlossenen feindlichen Reihen gegenüber. Von den Sturmtruppen des Tyrannen trennten sie nur wenige Ellen Abstand sowie ein dichter Vorhang aus Schneeflocken, die mit jeder Bö in Mund und Nase eindrangen.
Dahinter nahm ihr eine lange schwarze Reihe, mit Lanzenspitzen bewehrt und durch Schilde geschlossen, die Sicht.
Und diese Reihe war lebendig, wand sich träge wie eine sich in der Sonne aalende Schlange durchs Gelände. Ja, es war ein Lebewesen, ein einziger Körper aus zahllosen Fammin, die sich wie Glieder eines einzigen Organismus, nur dem Willen des Tyrannen gehorchend, im Gleichtakt bewegten.
Es war ein beeindruckendes Schauspiel, und Nihal spürte, wie ihr Herz schneller schlug.
Ein General, den sie zuvor noch nie gesehen hatte, ging noch einmal die Reihen durch und schärfte seinen Soldaten ein letztes Mal den Schlachtplan ein: Sie würden versuchen, die feindliche Linie im Sturm zu durchbrechen und bis zu den hinteren Reihen vorzustoßen, um sich anschließend in zwei Flügel aufzuspalten und zu versuchen, in einer Zangenbewegung die feindlichen Flanken einzuschließen. »Auf meinen Befehl hin zerstreut ihr euch und beginnt mit dem Rückzug«, schloss der General, indem er sich entfernte.
Plötzlich erblickte Nihal einen schlanken jungen Mann in einem langen Gewand, der auf den General zutrat und dann Seite an Seite mit ihm davonging.
Sennar!
Sie wollte
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