Die Drachenkämpferin 01 - Im Land des Windes
nicht in der Lage, dich wieder auf den Weg zu machen. Du hattest Fieber, du bist noch schwach. Und außerdem habe ich dein Bein nähen müssen ...«
Nihal riss die Augen auf. »Was?«
Sie hatte von dieser Praxis bereits gehört. Wenn kein Magier erreichbar war, der die passenden Heilformeln beherrschte, wandte man sich an einen Priester, um eine Wunde zu behandeln. Und manchmal griffen sie dafür auf Nadel und Faden zurück. Im Hauptlager hatte sie zufällig einmal, als sie am Lazarett vorüberkam, die Schreie eines Soldaten vernommen, der gerade auf diese Weise verarztet wurde, und sie hatte sich gesagt, dass sie lieber sterben würde, als sich etwas Ähnlichem zu unterziehen. »Ja, die Wunde hatte sich wieder geöffnet...«, erklärte ihr Eleusi. »Du musst dich ausruhen. Mindestens eine Woche. Glaub mir, ich denke dabei nur an dich.« Verdammt. Nihal ließ sich auf das Kissen zurückfallen. »Du bist also eine Priesterin?« »Nein. Aber mein Vater war Priester. Von ihm habe ich das gelernt. Aber du hattest Glück. Ich bin eine recht begehrte Heilerin«, sagte Eleusi lachend.
Sie blickte auf das leere Tablett. »Hast du noch Hunger? Vielleicht möchtest du etwas Käse? Oder einen Apfel ...?«
Nihal nickte schwach, und die Frau verließ hurtig den Raum.
Kurz darauf schon erschien sie wieder mit einem Teller, auf dem Kastanien und Nüsse lagen, ein Apfel und ein winziges Stückchen Käse. »Tut mir Leid, es ist nicht viel. Aber die Ernte war dieses Jahr sehr karg.«
Nihal biss in den Apfel: Er war wunderbar süß.
Eleusi setzte sich auf die Truhe. »Als ich ein Kind war, ging ich immer in den Wald zum Spielen: Damals haben die Wölfe niemals Menschen angegriffen. Höchstens mal ein Schaf, aber sehr selten. Doch heute, da der Krieg sie aus ihren angestammten Revieren vertreibt, werden sie immer aggressiver. Es ist jetzt schon das vierte Mal in diesem Winter, dass ein Kind angefallen wird. Ja, dieser elende Krieg ...«
Nihal hatte den Apfel aufgegessen. Sie räusperte sich. »Hör mal, Eleusi ...« »Ja?«
»Ich ..., nun ..., es ist mir einfach unangenehm, dir dein Bett wegzunehmen. Ein Strohlager würde mir ...«
Die Frau schüttelte den Kopf. »Kommt gar nicht in Frage! Du hast Jona das Leben gerettet. Da ist es doch das Mindeste, dass ich dir mein Bett abtrete«, erklärte sie, indem sie das Tablett nahm und sich zum Gehen wandte.
Nihal hielt sie zurück. »Warte! Du bist so nett zu mir. Du hast mich gepflegt, du gibst mir zu essen. Dabei weißt du doch gar nicht, wer ich bin ...«
Eleusi drehte sich noch einmal zu ihr um und lächelte sie an: »Ich beurteile einen Menschen nur nach seinem Tun«, sagte sie. »Und du hast ganz sicher ein gutes Herz.« Einige Tag noch war Nihal zur Bettruhe gezwungen. Jona war häufig bei ihr. Er war ein amüsantes Kerlchen, voller Neugier, und ein Plappermäulchen, wie es seine Mutter gesagt hatte. Schon zu früher Stunde stürmte er wie ein Wirbelwind in ihr Zimmer, um ihr guten Morgen zu wünschen.
Was ihn am meisten interessierte, war Nihals Schwert. Darüber wollte er alles wissen: Wie schwer es sei, aus welchem Material es bestehe, ob es sehr scharf sei ... Nihal verspürte eine instinktive Sympathie für den Jungen. »Wenn es dir so gefällt, dann nimm es ruhig mal in die Hand«, sagte sie eines Tages zu ihm.
»Im Ernst? Darf ich?«, fragte er ganz aufgeregt zurück.
Nihal überlegte, dass sie als kleines Mädchen vielleicht mit ebensolcher Ehrfurcht Livons Waffen betrachtet hatte. »Natürlich. Aber die Klinge darfst du nicht berühren. Und du musst damit hier bei mir bleiben.«
Mit einiger Anstrengung ergriff Jona das Schwert - es war ungefähr so groß wie er selbst - und trug es zu Nihal ans Bett, die ihm dabei half, es aus der Scheide zu ziehen. Seine Augen strahlten. »Wie das glänzt ...«
»Es besteht aus einem Material, das schwarzer Kristall genannt wird.« Jona betrachtete es von allen Seiten. »Und dieses Weiße hier?«
»Das ist eine so genannte Träne: Die hat mir ein Kobold geschenkt.«
Jonas Gesichtchen strahlte noch mehr. »Du kennst Kobolde?«
Nihal lächelte. »Gewiss.«
»Und wie sehen die aus? Hier gibt es nämlich keine!«
»Sie sind nur wenig größer als dein Gesicht, und alle haben verschieden bunte Haare. Und außerdem haben sie Flügel, und so flattern sie hierhin und dorthin. Dieser weiße Stein ist ein Zeichen des Dankes. Er bedeutet, dass ich eine Freundin ihres Volkes bin. Und außerdem dient er noch dazu, Zauber zu
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