Die Drachenkämpferin 01 - Im Land des Windes
verstärken.«
Jona starrte sie mit offenem Mund an. »Zauber? Kannst du etwa zaubern?« »Nein, das heißt, ein wenig ...«, wehrte Nihal ab.
»Ach, bitte, bitte, zaubere mir was.«
»Jetzt nicht, Jona. Später vielleicht, wenn es mir besser geht ...«
Jona klatschte aufgeregt in die Hände.
Die Tage der Genesung waren sehr angenehm. Eleusi war eine entzückende Gastgeberin, die Nihal fürsorglich betreute und es ihr an nichts fehlen ließ. Fragen hatte sie ihr keine mehr gestellt, aber hin und wieder setzte sie sich zu ihr und erzählte ihr ohne Scheu von ihrem eigenen Leben.
So erfuhr Nihal, dass sie noch sehr jung und ihr Mann ein Soldat war, der im Land des Windes kämpfte und nur einmal im Jahr, für einen Monat, nach Hause kam. »Üblicherweise bekommt er im Herbst Urlaub und ist dann rechtzeitig hier, um unser Feld zu pflügen. Manchmal überrascht er uns aber auch und kommt im Winter oder auch mal im Sommer auf ein paar Tage zu Besuch. Gewiss, in letzter Zeit immer seltener ..., die Lage an der Kriegsfront wird ja immer schwieriger.«
Nihal war überrascht. »Und vermisst du ihn denn nicht? Ich meine, ist das nicht schwer für dich, dass er fast nie hier ist?«
»Gewiss vermisse ich ihn. Aber als er beschloss, ins Feld zu ziehen, das war vor zwei Jahren, haben wir die Sache lange besprochen. Er ertrug die Ungerechtigkeiten nicht mehr, denen er fortwährend beiwohnte, und wollte nicht länger tatenlos mitansehen, wie immer mehr seiner Freunde in den Krieg zogen und nicht mehr heimkehrten. Er wolle kämpfen, so erklärte er mir, um dabei mitzuhelfen, den Krieg zu beenden. Wenn ich sehr traurig bin, tröste ich mich mit dem Gedanken, dass er fort ist, damit Jona eines Tages frei und in Frieden leben kann. Wie könnte denn auch die Zukunft unseres Sohnes unter der Gewaltherrschaft des Tyrannen aussehen?« Eleusi hielt einen Moment inne und setzte dann hinzu: »Ja, ich bin stolz auf meinen Mann.«
Nihal war beeindruckt: Eleusis Ehemann wusste genau, was er tat und für wen er es tat. Da waren Menschen, die er zu beschützen hatte, ein Ziel, für das erkämpfte. Verglichen mit diesem Unbekannten, der für seinen Sohn und seine Frau ein ruhiges Leben aufgegeben hatte, kam sie sich richtig schäbig vor.
Nihal hatte viel Zeit zum Nachdenken. In der warmherzigen, behaglichen Atmosphäre dieses Hauses fühlte sie sich wie herausgehoben aus der Welt, was es ihr leichter machte, sich über ihr Leben Gedanken zu machen.
Als erstes nahm sie sich vor, nicht mehr über ihre Albträume nachzugrübeln. Das kostete sie einige Mühe, doch der Alltag mit Eleusi und Jona half ihr dabei. Sie hatte noch nie miterlebt, wie sich das Leben einer normalen Familie gestaltete. Die Natürlichkeit ihres Tuns und die Selbstverständlichkeit der Zuneigung, die sie miteinander verband, waren vollkommen neu für sie. Noch nicht einmal als sie mit Livon zusammenlebte, hatte sie eine solche Atmosphäre verspürt.
Der Tagesablauf wurde gestaltet durch Eleusis vielfältige Aufgaben: Aufräumen, Kochen, Brotbacken, die Gänge zum Markt, das Weben der Stoffe, die sie dann verkaufen würde. Abends setzte sie sich mit ihrem Sohn vor den Kamin und unterhielt sich mit ihm, erzählte ihm Geschichten und unterrichtete ihn auf ihre Weise, so dass er am nächsten Morgen, wenn er mit den anderen Kindern zum Dorfweisen ging, um bei diesem zu lernen, gut vorbereitet war.
So verhält sich also eine gute Mutter. Nihal betrachtete Eleusi: Eine Frau wie sie hatte sie noch nie kennen gelernt.
Drei Tage lebte Nihal erst in diesem Haus, als Eleusi mit einem Paar Krücken vom Markt heimkehrte.
Mit triumphierender Miene betrat sie den Raum, in dem Nihal lag. »Sieh mal, was ich für dich gefunden habe. Mit denen kannst du mal versuchen aufzustehen.« Nihal wollte den Kauf sogleich ausprobieren. Sie setzte sich auf den Rand des Bettes und griff zu den Krücken, doch als sie Anstalten machte aufzustehen, wurde ihr sogleich schwindelig, und ihr Herz pochte heftig.
»Vielleicht bist du doch noch zu schwach«, bemerkte Eleusi besorgt.
Nihal schüttelte den Kopf. »Nein, nein, es geht schon ...« Erneut setzte sie die Krücken auf, drückte sich wieder hoch, und nachdem sie ein paar Mal hin und her getorkelt war, schaffte sie es, sicheren Stand zu finden.
Sie machte ein paar unsichere Schritte bis zum Fenster, durch das ein helles Vormittagslicht fiel. Nihal blickte an sich hinunter: Es war seit Jahren das erste Mal, dass sie etwas anderes als ihre
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