Die Drachenkämpferin 01 - Im Land des Windes
Kammer. Auf ihrem Bett lag ein Brief.
Lieber Ido,
verzeih mir, dass ich dich auf diese Weise verlasse.
Ich habe mich nicht von dir verabschiedet, weil ich wusste, du würdest mir nicht erlauben, mich sofort auf den Weg zu machen, und vielleicht auch, weil mir klar war, dass ich es mir sicher anders überlegt hätte, wenn ich dich noch einmal gesehen hätte.
Ich gehe fort und lasse meine Tränen und meinen Schmerz zurück. Denn ich bin entschlossen, sie zu überwinden.
Ich weiß nicht, ob ich zurückkomme.
Ich weiß nicht, ob ich abseits des Schlachtfeldes überhaupt leben kann.
Sicher weiß ich nur, dass ich zum ersten Mal in meinem Leben versuchen will herauszufinden, wer ich wirklich bin.
Danke für alles, was du für mich getan hast.
Dich als Lehrer zu haben war sehr wertvoll für mich. Du bist der beste Krieger, den ich je erlebt habe, und die einzige Person, die mir wirklich die Augen öffnen konnte. Lebwohl. Deine einzige Schülerin
21. Eine neue Familie
Dem Lauf eines Baches folgend, der munter zwischen den verschneiten Felsen dahingluckerte, ritt Nihal einen Berghang hinunter.
Lange Zeit führte ihr Weg über holprige Pfade, und sie erreichte die Ebene erst, als die Sonne bereits hoch am Himmel stand. Der Wald wurde lichter. Hier und da zeigte sich der Himmel zwischen dem braunen Geflecht kahlen Astwerks.
Das Pferd war erschöpft, und sie ebenfalls: Immer heißer wurde ihr, und ihr Bein brannte. Sie hielt an: Mit diesem halben Tagesritt hatte sie einen genügend großen Abstand vom Lager erreicht, um der Versuchung, kehrt zu machen, widerstehen zu können.
Als sie vom Pferd stieg, wurde ihr schwindelig. Sie setzte sich auf einen Felsblock und atmete tief durch. Dabei versuchte sie, einen Heilzauber zu sprechen, doch es half nichts. Sie fühlte sich einer Ohnmacht nahe. Wenn das so weiter ging, würde sie es unmöglich schaffen können. Sie musste etwas zu essen finden und einen Platz, wo sie sich ein wenig ausruhen konnte. Nach ein paar Stunden Schlaf würde die Welt schon anders aussehen, und vielleicht würde es ihr dann ja auch gelingen, sich mit einem Zauber zu heilen.
Sie kniete nieder und trank gierig aus dem Bach. Das eiskalte Wasser war wie Nektar für ihren ausgetrockneten Mund. Ich glühe. Wahrscheinlich habe ich Fieber. Sie war müde, und das nicht nur körperlich. Bereits nach einem halben Tag zielloser Wanderschaft kam es ihr so vor, als habe sie nie ein Zuhause gehabt.
Sie blickte hoch: Der Himmel war nun wolkenlos und tiefblau. Fortfliegen, weit weg, nicht mehr wiederkehren . . .
Ein spitzer Schrei holte sie in die Gegenwart zurück,- er kam von einer hohen, angsterfüllten Stimme. Nihal rappelte sich hoch und lief in die Richtung, von wo sie den Schrei gehört hatte.
Da wieder. Das Schreien riss nicht ab, es klang wie das verzweifelte Weinen aus der Kehle eines Kindes.
So schnell es ihr mit dem verletzten Bein möglich war, hastete sie weiter und zog das Schwert.
Sie gelangte auf eine kleine Lichtung, jener ganz ähnlich, auf der sie damals ihre Aufnahmeprüfung in die Welt der Zauberei hatte ablegen müssen.
Da erblickte sie einen von Panik ergriffenen kleinen Jungen, und um ihn herum zwei riesengroße graue Wölfe, heulend und zum Sprung bereit.
Da griff schon der erste an. Nihal warf sich schützend vor den Jungen und traf das Tier mit einem Schwerthieb. Doch sie hatte es nur gestreift. Schon setzte der Wolf erneut zum Sprung an, und sein Gefährte tat es ihm gleich. Diesmal traf die Klinge ihr Ziel: Der Kopf des ersten Wolfes flog, eine tiefrote Spur hinterlassend, in den Schnee, doch da hatte das zweite Tier bereits seine Zähne in Nihals Arm geschlagen. Während der kleine Junge weiter kreischte und in panischem Schrecken die Hände vor die Augen schlug, warf sich Nihal vor Schmerz schreiend zu Boden und versuchte, die hungrige Bestie von sich abzuschütteln. Wie ein einziger Körper rollten sie übereinander, wobei die Reißzähne des Wolfes immer tiefer in ihr Fleisch eindrangen. Mit schier übermenschlicher Anstrengung schaffte sie es irgendwann, dem Tier einen Fuß auf den Bauch zu setzen und es wegzustoßen. Und in dem kurzen Augenblick, den der Wolf brauchte, um wieder auf die Beine zu kommen, hatte sich Nihal schon auf ihn gestürzt und schnitt ihm mit einem wohlgesetzten Hieb die Kehle durch. Das Röcheln des sterbenden Wolfes war bald verklungen, und auf der Lichtung machte sich wieder eine gedämpfte Stille breit.
Nihal ließ sich ermattet auf ihr Schwert
Weitere Kostenlose Bücher