Die Drachenkämpferin 01 - Im Land des Windes
hier raus kommst. Für solch einen Wurm wie dich ist mir meine Klinge zu schade.«
Der Mann gehorchte geschwind: Er lud sich seinen Gefährten auf die Schultern und wandte sich zur Tür, doch Nihal hielt ihn noch einmal zurück, indem sie sagte: »Und vergiss nicht: Solltest du es wagen, je wieder einen Fuß in dieses Dorf zu setzen, zerleg ich dich in Stücke ...«
»Nein, nein, keine Sorge. Und hab vielen Dank. Danke ...«, stammelte der Mann unter Tränen, bevor er das Weite suchte.
Nihal bliebreglos in der Mitte des Raumes stehen.
Sie hatte wieder gekämpft, hatte wieder zum Schwert gegriffen. Und es hatte ihr Spaß gemacht. Sie spürte, wie die Waffe in ihrer Hand zuckte, wie sie sie aufforderte, den verlassenen Weg wieder gemeinsam fortzusetzen, wieder in die Schlacht zu ziehen. Sie war glücklich, seltsamerweise glücklich.
Eleusi kauerte an der Wand und drückte Jona an sich.
»Keine Angst. Die Gefahr ist vorüber«, sagte Nihal, indem sie auf sie zutrat, doch ihre Freundin schrie auf und wich zurück.
Sie bat Angst vor mir. Diese Erkenntnis traf Nihal bis ins Mark. Eleusi, an die sie sich wie an einen Rettungsanker geklammert hatte, hatte Angst vor ihr. Das Schwert entglitt ihrer Hand.
Da stand Eleusi auf, ging auf sie zu und machte Anstalten, sie zu umarmen. »Verzeih mir, ich wollte nicht. . . « , doch nun war es Nihal, die zurückwich. Sie trat einen Schritt zurück, blickte kurz auf das blutige Schwert am Boden und rannte davon. Im Halbdunkel des Kornspeichers vernahm man ein rhythmisches, regelmäßiges Tröpfeln. Vielleicht war es Schnee, der langsam schmolz. Denn draußen schien die Sonne.
Nihal hatte ihren Kopf zwischen den Knien vergraben: Wie oft hatte sie in ihrem Leben schon so dagesessen? Fast bekam sie Lust nachzurechnen.
Eleusis Kopf erschien am oberen Ende der Leiter. »Ach, hier bist du. Gut, dass ich dich gefunden habe.«
Schweigen.
»Verzeih mir, Nihal. Aber es... es war einfach stärker als ich. Ich bin dir unendlich dankbar, dass du uns gerettet hast, unendlich... Nur all dieses Blut, dieser Mann am Boden, und dann du, plötzlich wie verwandelt. . . Bitte, sag doch etwas... « Nihal hob den Kopf und blickte sie schweigend an. »Verschließ dich doch nicht. Sag mir, was du denkst.« »Ich weiß nicht, was ich denke.« »Soll ich lieber gehen?« Nihal fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. »Ja.« Eleusis Augen füllten sich mit Tränen. »Einverstanden. Wie du willst.«
Nihal öffnete die Augen und blickte in das schwache Licht, das zwischen ihren Knien hindurch drang. Nur einmal hatte sie wieder zum Schwert gegriffen, und schon war ihr ganzes Leben auf den Kopf gestellt.
Die strahlenden Farben jener zurückliegenden Monate mit Jona und Eleusi waren plötzlich verwaschen. Ja, es war schön gewesen, aber jenes schüchterne Mädchen, das sie im Spiegel betrachtet hatte, war doch nicht sie selbst.
Es war nicht ihr Leben, das sie in den letzten Monaten geführt hatte. In Wirklichkeit war sie doch die Halbelfe mit dem Schwert, die stets in der ersten Linie focht und sich furchtlos ins Schlachtgetümmel stürzte.
Was soll ich bloß tun? Nihal begann, mit dem Kopf rhythmisch auf ihre Knie zu hämmern. Was soll ich bloß tun?
Zum Abendessen kam sie ins Haus zurück, setzte sich wortlos an den Tisch und begann zu essen.
Eleusi sah ihr eine Weile zu und wusste nicht, wie sie sich verhalten sollte. Auch Jona schwieg und suchte mit dem Blick die Augen seiner Mutter. Als Nihal fertig gegessen hatte, legte sie den Löffel neben die Schüssel und machte Anstalten aufzustehen.
Da konnte Eleusi nicht mehr länger an sich halten: »Verdammt noch mal, was soll dieses Schweigen?«, schrie sie, »gib mir wenigstens zu verstehen, was dir durch den Kopf geht!« Jona zuckte zusammen.
Nihal blickte sie abweisend an. »Hast du noch nie Zeit zum Nachdenken gebraucht, Eleusi? Hast du noch nie in einer Situation gespürt, dass Worte nicht mehr weiterhelfen? Hast du noch nie an etwas gezweifelt? Hast du noch nie Zeit gebraucht, um Klarheit für dich zu gewinnen?«
Eleusi sprang auf, während ihr Gesicht rot anlief: »Doch... Aber egal was ich dir getan haben sollte, solch eine Behandlung habe ich nicht verdient!«
»Warum willst du das nicht verstehen?« Auch Nihal hatte die Stimme erhoben. »Es geht doch gar nicht um dich! Du hast mir gar nichts getan, und ich bin auch nicht wütend auf dich. Ich habe andere Probleme, aber es bringt nichts, darüber zu reden. Wie in Watte gepackt lebst du in
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