Die Drachenkämpferin 01 - Im Land des Windes
ihr wünschte. An jenem Tag nun war sie guter Stimmung. Die Sonne schien von einem klaren Himmel, und durch die kalte Luft fühlte sie sich gestärkt. So beschloss sie, bis zu einem entfernteren Dorf weiter zu wandern, wo niemand sie kannte und wo sie in der anonymen Menge nur eine von vielen sein würde.
Sie machte sich ein Vergnügen daraus, an den verschiedenen Ständen herumzustöbern, und schließlich kaufte sie ein wenig Naschwerk für Jona und ein Kopftuch für sich selbst.
Mittlerweile hatte sie eine kleine Kollektion davon. Ihre Haare waren nachgewachsen und wieder so weich und glänzend wie früher, bevor sie sie abgeschnitten hatte. Es machte ihr Spaß, über den Platz zu schlendern und hier und da etwas von dem Geplauder der Leute aufzuschnappen. Man tratschte, unterhielt sich über den Krieg, über Bekannte, die in der Ferne weilten, über jene, die gestorben waren, über das Wetter, die Ernte, die Kinder. Doch das Hauptthema waren heute jene Söldner, die aus der regulären Armee der freien Länder desertiert waren und nun marodierend durchs Land zogen. Als sie das hörte, begann Nihals Herz schneller zu schlagen, doch sie mahnte sich zur Ruhe: Das geht dich nichts an, Nihal. Du hast jetzt ein Zuhause. Zurück nahm sie den Weg durch den Wald. Der war zwar etwas weiter, doch zwischen den Bäumen entlangzuwandern empfand sie als Vergnügen, auf das sie nicht verzichten wollte.
Dann entdeckte sie die Spuren. Sie kamen aus dem dichten Unterholz und verliefen in Richtung des Pfades, der vom Dorf zu ihrem Haus führte. Es waren Hufspuren. Nihal bückte sich und betrachtete sie sich näher: Sie waren noch sehr frisch. Sogleich spürte sie, wie ihr Herz zu rasen begann. Sie beschleunigte ihre Schritte, wurde immer schneller, bis sie rannte. Doch der Rock behinderte sie, sie kam ins Stolpern und fiel in den Schnee, sprang aber sofort auf und lief weiter. Als Erstes das Schwert holen. Das Schwert ist im Kornspeicher. Auch wenn ich mich täusche und nichts passiert ist, und mit Sicherheit täusche ich mich, muss ich als Erstes das Schwert holen. Sie hatte Angst, große Angst, war aber gleichzeitig hellwach.
Als ihr Haus in Sicht kam, blieb ihr für einen Augenblick das Herz stehen: Zwei Pferde standen auf der Tenne und schnüffelten mit der Schnauze im Gras.
Sie spitzte die Ohren, hörte aber nur, wie ihr Blut in den Schläfen hämmerte. Ganz leise und geduckt, um nicht gesehen zu werden,schlich sie um das Haus herum und kletterte in den Kornspeicher hinauf. Als sie das Schwert aus der Scheide zog, war ihr, als verschmelze ihre Hand mit dem Heft... und als bildeten ihre Waffe und sie selbst eine unzertrennliche Einheit. Da, ein Schrei, gefolgt von Gelächter, jagte ihr eine Gänsehaut über den Rücken. Sie stürmte ins Haus und erblickte einen Mann über Eleusi gebeugt, die sich ihm verzweifelt zu entwinden versuchte, während Jona von einem zweiten Mann festgehalten wurde.
Jener, der Eleusi bedrängte, drehte sich um: »Ach, wir haben Besuch. Nur herein. Je später der Abend, desto schöner die Gäste«, rief er, während er Eleusi losließ und in eine Ecke stieß. »Nein, was für ein hübsches Mädchen! Offenbar spielst du gern mit Schwertern. Komm nur, du darfst ein wenig mit uns spielen. Komm!« Mit einem Sprung war Nihal über ihm und streckte ihn mit einem Schwertstreich nieder. Lautlos sank der Mann zu Boden, während aus seiner Kehle ein Schwall dunklen Blutes spritzte. Von Entsetzen gepackt, schrie Eleusi so laut sie konnte. Sogleich stürzte sich der andere mit gezogenem Schwert auf Nihal, und das Gefecht begann.
Schon im ersten Augenblick hatte Nihals Körper seine gewohnte Flinkheit und Reaktionsschnelligkeit wiedergefunden: Ihre Bewegungen waren geschmeidig, sie wich aus, blockte und parierte. Ihr Herz jubilierte vor Freude. Nach dem langen Stillstand war ihr, als finde sie jetzt endlich wieder zu sich selbst.
Nach seinem ersten Angriff hatte sich ihr Gegner, vor Wut schäumend, längst in eine Ecke drängen lassen.
»Ist das alles, was du zu bieten hast?«, lachte Nihal höhnisch, während sie sich den Schweiß von der Stirn wischte. Und schon ging sie wieder zur Attacke über und brachte ihm eine tiefe Wunde am Arm bei. Einen Augenblick später hatte sie ihn entwaffnet.
Nihals Schwertspitze an der Gurgel, fiel der Söldner auf die Knie. »Verschone mich, ich flehe dich an, vergib mir ...«
Nihal blickte ihn verächtlich an. »Schnapp dir diesen Hund von einem Kumpan und mach, dass du
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