Die Drachenkämpferin 01 - Im Land des Windes
und sie hasste sich selbst, weil sie überlebt hatte.
Sennar und Soana kehrten gegen Abend zurück. Von ihnen erfuhr sie, dass Fen schon lange abgereist war: Sein Urlaub war zu Ende gewesen, und er hatte an die Front zurückkehren müssen. Sie fühlte sich niedergeschlagen.
Sennar sah mitgenommen aus, aber er tröstete sich mit dem Gedanken, dass er anderntags, nach der Befragung durch Dagon, diese Tortur überstanden haben würde. »Kämpfen ist gewiss sehr hart. Aber auch das Leben eines Zauberers hat seine Tücken«, meinte er scherzend, merkte aber sogleich, dass seine Freundin nicht in der Stimmung war, darauf einzugehen.
Sennar ahnte, was in Nihals Herzen vor sich ging, und sorgte sich um sie, spürte aber gleichzeitig auch, dass er ihr nicht helfen konnte: Sie hatte sich vor einem Abgrund zu retten, und diese Aufgabe konnte ihr niemand abnehmen. Bevor er ging, nahm er sie noch einmal in den Arm.
»Hals und Beinbruch für morgen.«
»Danke. Und Dank auch für alles, was du für mich getan hast«, antwortete Nihal lächelnd. »Und dir auch viel, viel Glück.«
Sie war ihm tatsächlich unendlich dankbar: weil er sie verstand, weil er ihr half, weil er für sie da war. Er war ihr Freund und zählte zu dem wenigen, was ihr überhaupt geblieben war.
In jener Nacht schlief Nihal ruhig und traumlos. Zu früher Stunde erwachte sie, fühlte sich erholt und voller Selbstvertrauen. Sie warf sich ihren Umhang über, ergriff ihr Schwert und machte sich allein auf den Weg zur Akademie.
Dort angekommen, wunderte sie sich, dass so viele Leute Einlass begehrten. Zunächst ließen die Wachen nur sie selbst vorbei, doch eine Stunde später drängte sich eine derartige Menschenmenge vor dem Portal, dass Raven Befehl gab, die Tore zu öffnen.
Der General persönlich hatte die zehn Schüler ausgesucht, die zum Zweikampf gegen sie antreten sollten. Sie alle hatten ihre Ausbildung bereits weitgehend abgeschlossen und würden in Kürze mit allen Rechten und Pflichten in den Ritterstand aufgenommen werden: Er zweifelte nicht daran, dass sie mit diesem dreisten Geschöpf kurzen Prozess machen würden.
Nihal betrat die Kampfbahn, einen weiten runden Platz mit festgestampftem Boden. An einer Seite war ein Gestell mit allen nur möglichen Waffen aufgebaut, während sich jetzt um sie herum allmählich die Zuschauer versammelten. In der ersten Reihe saßen die Ritter in ihren blitzenden Rüstungen, umgeben von einer Schar junger Burschen, die alle mit einer Art Kutte aus braunem Stoff bekleidet waren. Dahinter das gewöhnliche Volk, das die Neugier, aber auch Bewunderung für dieses Mädchen, von dem man so außergewöhnliche Dinge hörte, angelockt hatte. Dann sah Nihal ihre Gegner in die Arena einlaufen. Sie waren auffallend groß und kräftig und auch älter als die Jungen in den braunen Kutten: Raven hatte sie danach ausgesucht, dass sie ihr körperlich alle weit überlegen waren.
Der General ließ auf sich warten. Als er endlich das kleine, zu diesem Anlass errichtete Podest betrat, nahm er mit einem nachsichtigen Lächeln den Beifall der Menge entgegen. Er genoss bereits seinen Sieg. Sich an Nihal wendend, die in die Mitte der Arena getreten war, sprach er:
»Wie versprochen, gebe ich dir hiermit Gelegenheit, uns zu zeigen, was du kannst, damit niemand behaupten kann, ich hätte jemandem ohne Grund die Aufnahme in die Akademie verweigert. Hoffentlich bist du dir bewusst, wie weit ich dir damit entgegenkomme.«
Nihal beschränkte sich darauf, sich mit einem spöttischen Lächeln im Gesicht vor ihm zu verbeugen.
»Die Regeln sehen folgendermaßen aus: Jeder kämpft mit den eigenen Waffen. Die einzelnen Duelle werden nacheinander ohne Pause ausgetragen. Um zu bestehen, musst du alle zehn Gegner besiegen. Gewonnen hat, wer den anderen entweder zu Fall bringt oder entwaffnet oder verwundet. Es ist dir nicht gestattet, deine Gegner zu töten.«
Offensichtlich legte es Raven darauf an, ihr Angst einzujagen. Ohne Pause gegen zehn starke Krieger anzutreten, und das ohne Rüstung und nur mit einem Schwert bewaffnet, schien tatsächlich eine unlösbare Aufgabe zu sein.
Nihal legte ihren Umhang ab und antwortete mit fester Stimme. »Ich, Nihal aus der Turmstadt Salazar, die letzte Halbelfe auf dieser Welt, nehme Eure Bedingungen an, General.«
Das Publikum verstummte.
Der erste Gegner war gleich ein Hüne, der jetzt mit entschlossener Miene die Arena betrat. Er war mit einem Schwert bewaffnet, und ein großer Teil seines Körpers
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