Die Drachenkämpferin 01 - Im Land des Windes
bewusst verzögerte, aber der Gnom stellte sich unverzüglich auf den Tempowechsel, den sie ihm aufzwang, ein. Also versuchte sie, ihn aus dem Gleichgewicht zu bringen, doch Ido war geschickt genug, um sie stets weit genug von sich fernzuhalten. Schließlich erwischte sie doch den richtigen Moment: Sie blockierte seine Waffe und verdrehte sie mit dem Ziel, sie ihm aus der Hand zu reißen. Damit erreichte sie immerhin, dass die gegnerische Klinge nach oben gerissen wurde, und sogleich nutzte sie diesen Augenblick und stürzte sich auf ihn. Da merkte sie, dass ein Messer auf ihren Bauch gerichtet war.
»Bist du schon mal so aufs Kreuz gelegt worden?«, fragte Ido lächelnd, während er seine Waffen zurücksteckte. »Aber ich muss zugeben, du bist nicht schlecht. Gegen die Fammin und einfache Soldaten reicht deine Technik bei weitem aus. Nun kämpft ein Drachenritter aber häufig gegen andere Ritter, und da würdest du schnell den Kürzeren ziehen. Aber mach dir nichts draus, das lernst du schon noch.«
Nihal ballte die Fäuste.
»Und dann hast du noch eine weitere große Schwachstelle«, fuhr Ido fort. »Du kämpfst wie ein verwundetes Tier. Im Kampf darfst du nie die Übersicht verlieren. Du aber lässt dich vom Zorn hinreißen. Denk immer daran: Zorn blendet den Krieger und verleitet ihn zu den dümmsten Fehlern. Zorn führt ins Grab.«
Ido wrang seinen nassen Bart aus. »Dieser Regen wird langsam unangenehm. Gehen wir lieber rein. Später kannst du dich dann um meinen Vesa kümmern und dich so langsam mit Drachen vertraut machen.«
Durchnässt und schlammbesudelt stand Nihal in der Arena und blickte dem Gnom nach, der sich entfernte.
Vielleicht hatte sie ihn doch falsch eingeschätzt.
Fast den ganzen Nachmittag brachte sie damit zu, in den Regen hinauszublicken. Als sie in der Akademie lebte, hatte sie durch die Schießscharte in ihrem Kabuff nur ein Fitzelchen vom Himmel sehen können, doch nun, während sie in der Hüttentür stand, umfasste ihr Blick ihn ganz.
Eigentlich mochte sie Regen. Unter den Wassertropfen kam ihr alles ruhiger vor, geordneter, sauberer. Sie überraschte sich bei dem Gedanken, dass Fen Teil der Wolken war, die sie dort oben über sich hinwegziehen sah. In jenen Regentropfen steckte etwas von ihm, das zur Erde zurückkehrte. Und dann malte sie sich aus, aufzufliegen und ebenfalls sanft davongetrieben zu werden, so wie Rauch im Wind.
Ido hingegen lag auf dem Bett, rauchte und dachte nach, unter anderem auch über seine ersten Eindrücke von Nihal. Ja, sie hatte vielleicht das Zeug, um wirklich ein außerordentlicher Krieger zu werden, doch er nahm auch etwas in ihr wahr, was er einfach nicht einordnen konnte, und er fragte sich, welches Geheimnis sie wohl mit sich herumtragen mochte.
Die Drachenstallungen waren in einem breiten, imposanten Gebäude untergebracht, das sich im Zentrum der Zitadelle, unweit der Arena, erhob.
Schon auf der Schwelle spürte Nihal den Atem all dieser gigantischen Tiere, die dort drinnen gehalten wurden. Sie war aufgeregt.
Als sie eintrat, bot sich ihr ein unvergleichliches Bild.
In der ganzen Halle reihten sich an allen Wänden Dutzende weiträumiger Nischen aneinander, in denen jeweils ein Drache untergebracht war. Man sah sie in allen Größen und den verschiedensten Grüntönen. Manche Tiere waren riesengroß und maßen an die zwanzig Ellen, andere waren kleiner und kompakter.
Nihal verschlug es den Atem: Wie sehr wünschte sie sich, solch einen Drachen zu besitzen.
Entschlossenen Schritts ging Ido voraus, während sie ihm fast zögernd folgte, so als fürchte sie, mit ihrem Eintritt eine heilige Stätte zu schänden.
Durch den langen Mittelgang gelangten sie zum hinteren Teil der Halle, wo der Gnom vor der letzten Nische stehen blieb.
Es war die eines Drachen von ungewöhnlicher Farbe: Er war rot, und seine gelben, grün umrandeten Augen hoben sich prächtig von seiner scharlachfarbenen Haut ab. Er war wunderschön.
Als er die Unbekannte erblickte, richtete sich der Drache sofort misstrauisch auf, doch Ido trat zu ihm und streichelte ihm übers Maul. »Brav, Vesa, keine Angst. Das ist meine Schülerin. Du wirst dich an sie gewöhnen.«
Der Drache schien sich zu beruhigen, blickte aber Nihal weiter unverwandt an und schnaubte dabei aus den Nüstern. Sie blieb auf Abstand.
»Geh ruhig näher ran, er ist bloß auf der Hut.«
Nihal trat ein paar Schritte vor. Vesa reagierte nicht. So traute sie sich noch näher heran und streckte sogar die Hand
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