Die Drachenkämpferin 01 - Im Land des Windes
zu ihm aus. Empört wandte sich das Tier ab. Ido brach in Gelächter aus. »Nun übertreib mal nicht. Das ist doch kein Hündchen. Er ist ein Krieger, und so will er auch behandelt werden.«
Einen Moment lang sah Nihal eine große Ähnlichkeit zwischen Ido und seinem Drachen.
Während sie das Tier ansah, war ihr, als verstehe sie sehr genau, was es fühlte: Misstrauen, gepaart mit Neugier. Obwohl dies eigentlich nicht ihre Gefühle waren, meinte sie plötzlich, sie am eigenen Leibe zu verspüren. Es war ganz ähnlich wie damals, als Laio und Sennar sich zum ersten Mal sahen.
»Wieso trägt er diesen Namen?«, fragte sie Ido.
»Weil es mein Drache ist, der Drache des einzigen Gnomen unter den Drachenrittern. ›Vesa‹ ist ein Wort aus dem Dialekt meiner Heimat, aus dem Land des Feuers. Es bedeutet ›schnell‹.«
Mit einem Sprung saß Ido auf, doch Vesa schien spielen zu wollen und versuchte, ihn abzuschütteln. Er bäumte sich mächtig auf, doch der Gnom hielt sich problemlos auf seinem Rücken. Und irgendwann gab das Tier nach.
»Ich weiß ja, du willst immer deinen Willen durchsetzen«, sagte er, indem er ihm einen schallenden Klaps auf die Flanke versetzte. Dann wandte er sich an Nihal: »Ich möchte, dass du ihm heute zu essen bringst. Futter findest du dort drüben.«
Nihal war eingeschüchtert. Sie erinnerte sich noch sehr gut, wie Gaart damals versucht hatte, sie mit seinem Feueratem zu rösten. Wie angewurzelt blieb sie stehen und blickte unsicher zwischen Vesa und Ido hin und her.
»Also wenn du Angst hast, lässt er dich nicht in seine Nähe. Er muss dich akzeptieren. Und um dich zu akzeptieren, muss er dich dessen für würdig halten. Merk dir das gut, auch für später, wenn du deinen eigenen Drachen bekommst.«
In einer Ecke des Stalls stand eine Reihe von Schubkarren voller blutiger Fleischbrocken.
Nihal nahm eine und schob sie mühsam zu Vesas Nische, doch der Drache schien kein Interesse an dem Futter zu haben. Er starrte sie nur weiter misstrauisch an und schnaubte aus seinen breiten Nüstern.
In der Schlacht hatte Nihal keine Angst verspürt, und auch nicht, als sie zum ersten Mal einem Fammin Auge in Auge gegenüberstand. Doch jetzt war sie verängstigt. Mit verschränkten Armen stand Ido da und sah ihr zu. »Du musst ruhig bleiben. Es ist wie eine Schlacht. Zeig ihm, dass du dich sicher fühlst.«
Nihal schluckte und rückte ein paar Schritte vor.
Der Drache ließ ein dumpfes Knurren vernehmen, das sich, als Nihal Anstalten machte, noch näher heranzukommen, zu einem Fauchen steigerte.
Nihal erstarrte. Sie hatte einen Heidenbammel.
Da stellte sich Vesa auf die Hinterbeine, und es hatte den Anschein, als könne er sie jeden Moment anspringen.
»Lass die Schubkarre nicht los,- du musst sie ihm direkt unter die Nase schieben.« Und so wagte sich Nihal noch einen Schritt vor, dann noch einen, und wieder einen, während Vesa, laut fauchend, eine Pfote zu ihr ausstreckte. Als sie glaubte, nahe genug zu sein, ließ sie die Schubkarre los und stob mit pochendem Herzen davon. »Für den ersten Tag war das ganz annehmbar.« Ido trat auf Vesa zu.
»Mein armer, armer Drache«, redete er ihm in spöttelndem Ton zu, während er ihm die Schnauze tätschelte.
Gegen Abend hörte der Regen auf, rechtzeitig genug, dass Nihal einen wunderschönen, strahlenden Sonnenuntergang genießen konnte. Draußen vor der Hütte sitzend, mit dem Rücken an die Holzbretter gelehnt, blickte sie blinzelnd in die Sonne, die ihr Gold über die Baumwipfel ergoss, und fühlte sich erleichtert.
Dieser Ido war ja doch gar nicht so übel. Und Vesa war ein herrliches Tier. Vielleicht würde der Aufenthalt in diesem Lager sie doch voranbringen.
Die Stimmen kamen ganz plötzlich.
Instinktiv rieb sich Nihal die Schläfen.
Die Glut des Sonnenuntergangs verwandelte sich in die Feuersbrunst von Salazar. Sie hatte wieder Livons leblosen Körper vor Augen. Den Scheiterhaufen mit Fens brennendem Leichnam.
Und ihr war, als platze ihr der Schädel.
Nein, nein, bitte nicht.
Es war Ido, der sie aus diesem Albtraum riss. »Komm rein, für heute hast du deine Pflicht getan. Es ist Zeit fürs Essenfassen.«
Nihal gab sich einen Ruck, die Stimmen verstummten, und, den Kopf wieder frei, folgte sie ihrem Lehrer.
Die nächsten Tage verliefen ruhig, ohne besondere Vorkommnisse: Morgens übte sich Nihal zusammen mit Ido im Schwertkampf, nachmittags versuchte sie, Vesas Vertrauen zu gewinnen, und abends polierte sie die Waffen ihres
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