Die Drachenkämpferin 02 - Der Auftrag des Magiers
war schmächtig, hatte keine Neigung zum Kampf und erkrankte leicht. Zudem war er der Jüngere: Er hatte keinen Thron zu erben, und es genügte, dass er zu kämpfen verstand, wenn es darauf ankam. Moli quälte ihn, zwang ihn, im prasselnden Regen zu trainieren, mühte sich, einen Krieger aus ihm zu machen. Und Dola strengte sich an, gab das, was ein kleiner Junge geben kann, der dem Vater gefallen möchte. Er trainierte allein, war mit ganzem Herzen bei der Sache, schluckte Schmähungen und Schikanen. Es war kurz nach Idos Ernennung zum Drachenritter, als sich das Blatt wendete. Moli nahm Kontakt zu einem jungen, sehr ehrgeizigen Magier auf, der ihm seine Unterstützung bei der Zurückeroberung des geraubten Thrones Zusagte. Immer häufiger unternahm er nun Reisen in das Große Land und wirkte immer zufriedener, wenn er heimkehrte. Eines Tages musste er in das Land der Nacht aufbrechen und ließ sich von Ido und Dola begleiten. Sie gelangten zu einem abgelegenen Ort, einer Art Palast, der von hohen Bergen eingeschlossen und von Nichteingeweihten unmöglich zu finden war.
Und so lernten Ido und Dola jenen Mann kennen, dem ihr Vater so blind vertraute. Oder genauer, sie lernten seine Stimme kennen, denn der Mann verbarg sich hinter einem schweren schwarzen Vorhang. Eine Stimme, die nicht zuzuordnen war, nicht menschlich und ohne Alter. »Dies sind meine Söhne, Herr«, sprach Moli, in einem unterwürfigen Ton, der Ido berührte. »Wer ist der Altere?«, fragte die Stimme.
Moli stieß Ido vor. »Dieser hier, mein Herr.«
»Mein Herr«, das waren Molis Worte. Ido war fassungslos: Sein Vater war doch ein König und er selbst ein Prinz – niemand konnte ihr Herr sein! Erfühlte sich unwohl. Denn obwohl er den Mann nicht sehen konnte, spürte er dessen Blick auf sich ruhen.
Der Mann hinter dem Vorhang fragte ihn, ob er seinen Thron zurückwolle.
Ido antwortete, ja, gewiss, das wolle er.
Damit war das Gespräch beendet, und Dola kam an die Reihe. Mit diesem sprach er länger, und Ido glaubte zu spüren, dass er Gefallen an ihm fand.
Zwei Monate nach dieser Begegnung verkündete Moli seinen Söhnen, dass sie sich wieder auf den Weg in das Land der Nacht machen sollten, um dort einen Angriff auf das Land des Feuers vorzubereiten. Ein Heer erwarte sie dort.
So betraten Ido und Dola erneut den Palast des Mannes ohne Gesicht. Sie fanden auch das Heer vor, groß und gut ausgerüstet, und Ido spürte, wie das Blut schneller durch seine Adern floss-. Der lange ersehnte Tag war da Endlich würden sie sich, nach den jahrelangen Erniedrigungen des Exils, das zurückholen, was ihnen zustand.
Noch viele andere hatten sich bei dem Mann ohne Gesicht eingefunden, Leute, die Ido nicht kannte. Es war jener Augenblick, da der Tyrann die Macht an sich riss, und Ido war zugegen. Es interessierte ihn nicht, welche Ränke dieser Mann schmiedete und zu welchem Ziel. Ihm ging es nur um seine Krone, und dafür kämpfte er.
Es war sein erster Krieg. Drei Monate dauerte der Feldzug, ein langes, entbehrungsreiches Unternehmen. Ido wurde mehrmals verwundet und riskierte ständig sein Leben, doch nichts schien ihn aufhalten zu können. Er kämpfte für seine Familie, für seine Krone. Dieser Traum blendete ihn. Dola hingegen war nur anfangs auf dem Schlachtfeld zu finden, danach verbrachte er immer mehr Zeit im Palast des gesichtslosen Mannes – des Tyrannen, wie dieser sich nun selbst nennen ließ.
An einem Tag im Juli gelangte Ido in Sichtweite von Assa, der Hauptstadt des Lands des Feuers. Er hatte sich durch ein Land gekämpft, das am Boden lag, und die Menschen hatten ihn wie einen Erlöser begrüßt. Er war fast noch ein Knabe, und all die zu ihm ausgestreckten Arme, die Dankbarkeit der Leute, der Sieg stiegen ihm zu Kopf. Erfühlte sich als Held, und in dieser Überzeugung gelangte er zum königlichen Palast, den die Truppen unter Molis Kommando bereits mit Feuer und Schwert erobert hatten.
Der unrechtmäßige König und seine gesamte Verwandtschaft waren im Thronsaal zusammengetrieben worden, und der Usurpator flehte, man möge sein Leben schonen. Schweigend, mit einem Lächeln im Gesicht, hörte Moli ihm zu, blickte dann zu Ido und reichte ihm das Schwert. »Ich überlasse dir die Ehre«, sagte er.
Ido trat auf den Besiegten zu und durchbohrte ihn ohne Gnade. Getötet hatte er bereits, doch stets in der Schlacht. Es gefiel ihm, diesem Mann, den er nicht kannte, das Leben zu nehmen. Es gefiel ihm, die Verzweiflung von dessen Familie
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