Die Drachenkämpferin 02 - Der Auftrag des Magiers
ein Hinweis auf das Land der Nacht, dem Laio entstammte. Die pathetische Unterschrift in dunkelroter Tinte lautete: »General Pewar, vom Orden der Drachenritter aus dem Land der Sonnen.« Nihal spürte, wie ihr beim Lesen das Blut zu Kopf stieg. »So kann dein Vater dich nicht behandeln«, erklärte sie und hielt mit Mühe ihren Zorn im Zaum.
Laio lächelte bitter. »Tja, so war das schon immer.«
»Und das lässt du dir gefallen? Du bist doch kein Kind mehr! Sag ihm ganz offen, was du aus deinem Leben machen willst. Es ist doch dein Leben, verstehst du? Und wenn ihm das nicht passt, so soll er sich zum Teufel scheren.«
Der Junge antwortete nicht. Mit dem Pergament in der Hand stand er da und hatte Tränen in den Augen.
Nihal konnte es nicht fassen. Warum machte Laio dem üblen Treiben kein Ende und widersetzte sich nicht den unverschämten Anordnungen seines Vaters? »Was hast du jetzt vor? Willst du etwa warten, dass er dich holen kommt und wie ein ungezogenes Kind am Ohr packt und heimschleift?«
»Ich weiß es nicht, verstehst du? Ich weiß es einfach nicht«, schrie Laio plötzlich. »Im Moment möchte ich nur alleine sein, sonst gar nichts«, fügte er flüsternd hinzu.
Nihal stürmte in Idos Hütte.
»Du musst etwas tun! Wir müssen ihm helfen«, rief sie, dunkelrot im Gesicht. Ido ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. »Gar nichts werde ich tun.«
Nihal erstarrte. Nachdem Laio jetzt über Monate Ido und ihr unentwegt geholfen hatte, konnte der Gnom ihm unmöglich seine Unterstützung verweigern. »Das ist ein Scherz, oder?« Ido schüttelte den Kopf.
»Vielleicht bist du dir über die Situation nicht im Klaren«, fuhr Nihal noch wütender fort. »Der Krieg ist einfach nichts für Laio. Aber dieser Wahnsinnige von seinem Vater will ihn unbedingt ins Getümmel werfen. Ohne mich hätte er seine erste Schlacht gar nicht überlebt.«
»Das ist nicht meine Angelegenheit, Nihal.«
»Aber es war deine Angelegenheit, als er dir die Waffen polierte und in allem zu Diensten war. Was ist los mit dir? Hast du etwa Angst vor seinem aufgeblasenen Vater?«
Ido nahm die Pfeife fester in die Hand, und Nihal spürte seine Verärgerung. »Merk dir ein für alle Mal: Ich sorg mich nicht, weder wegen Pewar noch wegen Raven. Gegen Leute dieses Schlages habe ich mich schon behauptet, als du noch gar nicht auf der Welt warst. Verstanden!?« Nihal schlug die Augen nieder. »Das glaub ich dir ja«, murmelte sie. »Aber warum willst du ihm dann nicht helfen?«
Ido atmete tief durch. »Hör mal zu, Nihal. Wie oft muss Laio denn noch gerettet werden, vor sich selbst oder anderen, die ihm ans Leder wollen? Du hast dafür gesorgt, dass er in der Schlacht nicht draufging, hast ihn aus einer verlassenen Bruchbude im tiefsten Wald herausgeholt, hast ihn mit hierhergebracht ... Es ist an der Zeit, dass er lernt, alleine zurechtzukommen. Ein Mann muss sich selbst aus der Patsche helfen können. Und eine Frau auch.«
»Aber du warst immer für mich da, wenn ich mich verrannt hatte und deine Hilfe brauchte.« »Aber letztendlich war es deine eigene Entscheidung, dich zu ändern. Es gibt Dinge, die jeder nur alleine tun kann.«
Nihal schwieg einige Augenblicke. »Aber dazu ist er einfach nicht in der Lage. Ihn sich selbst zu überlassen wäre so, als würde man ein Kind alleine auf Weltreise schicken.«
»Ach, hör doch auf, hier die fürsorgliche Mutter zu spielen. Erstens passt das nicht zu dir, und zweitens braucht Laio dies am allerwenigsten. Wenn er tatsächlich Knappe werden will, so muss er das seinem Vater klarmachen und sich seine Unabhängigkeit erkämpfen. Punkt, aus.« »Und was soll ich dabei tun? Abwarten und zusehen?«
»Ja, Nihal. Während der drei Monate, in denen du versuchtest, ein normales Leben abseits der Schlachtfelder zu führen, habe ich nur gewartet. Manchmal bleibt einem eben nichts anderes übrig.«
Laio war allein in seiner Kammer zurückgeblieben und stellte sich vor, wie Nihal sich jetzt wieder bei Ido für ihn ins Zeug legte. Und er? Was sollte er tun? Wieder überflog er den Brief und entdeckte kein Fünkchen Hoffnung darin. Er kannte seinen Vater: ein strenger Mann, Soldat bis ins Mark, daran gewöhnt, dass man ihm aufs Wort gehorchte. Würde er ihn tatsächlich holen kommen, wäre eine Auseinandersetzung unvermeidlich. Vielleicht sollte er wieder das Weite suchen, sich wieder irgendwo verkriechen. Die Aufgetauchte Welt war groß, sein Vater würde Jahre brauchen, um ihn aufzuspüren – wenn es
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