Die Drachenkämpferin 02 - Der Auftrag des Magiers
gehen die Soldaten niemals aus, denn er schafft sie sich selbst. Unsere Männer hingegen fallen wie die Fliegen. Von Kindesbeinen an habe ich miterlebt, wie Menschen sterben. Ich wollte etwas tun, um dem ein Ende zu setzen. Etwas, das mehr ist, als Waffen mit Zaubern zu stärken oder in endlosen Versammlungen neue Strategien zu beraten. Dann fand ich diese Seekarte.« Er drehte sich wieder zu Aires um und hielt kurz inne, bevor er weitersprach. »Und so kam ich auf die Idee, die Untergetauchte Welt um Verstärkung zu bitten.«
Sennar versuchte zu verstehen, welche Wirkung seine Worte hervorriefen, doch Aires beobachtete ihn mit einem Blick, der kaum zu deuten war. Dann aber flackerte der für sie typische Spott in ihren dunklen Augen auf. »Und für solch ein idiotisches Ziel setzt du dein Leben aufs Spiel?«
Sennar erstarrte. Von allen möglichen Reaktionen hatte er diese am wenigsten erwartet. »Ich ... ich verstehe dich nicht«, stotterte er.
»Wach auf, Magier! Wenn du stirbst, werden die Leute, für die du dich geopfert hast, noch nicht mal ein Dankeschön für dich übrig haben.«
»Das ist auch nicht der Grund, weswegen ...«, setzte Sennar zu einer Klarstellung an, aber Aires ließ ihn nicht ausreden, und wie ein reißender Wildbach strömten ihre Worte dahin. »Wir alle haben nur ein Leben, und das ist kurz. Es ist doch Schwachsinn, es für andere hinzugeben. Ich jedenfalls tu nur das, was mir gefällt. Ich will was erleben, Freude, Schmerz, Leidenschaft, Verzweiflung ... alles, was ich bekommen kann. Dann kann ich mir in der Stunde des Todes wenigstens sagen: Ich habe gelebt.« Sie redete mit Feuereifer, und ihre Wangen röteten sich. »Ich kann ja noch verstehen, wenn jemand sagt: Ich lebe für meinen Geliebten oder meine Geliebte, mein Kind, einen Freund ... Aber wer seine Zeit mit dem Versuch vertut, ›Gutes zu tun‹, ist ein Narr. Die meisten Leute denken ja auch nur daran, irgendwie über die Runden zu kommen. Und deswegen können die Bewohner der Aufgetauchten Welt meinetwegen auch alle unter der Erde landen. Wenn sie sich nicht wehren und nur darauf warten, dass der Tod sie holt, so sollen sie doch verrecken. Das ist ihre eigene Schuld. Ich weiß, das wirst du nicht gerne hören, weil es dir gefällt, den Helden zu spielen«, schloss sie.
Sennar schwieg eine Weile. Er brauchte Zeit, um nachzudenken. Dann räusperte er sich. »Ich will dir etwas erzählen. Als der Tyrann vor zwei Jahren das Land des Windes eroberte und ich fliehen musste, stieß ich auf der Flucht auf ein Haus, in dem eine Bauernfamilie gelebt hatte: Vater, Mutter, Tochter. Sie waren alle tot, auch das kleine Mädchen: Ein Soldat hatte das Kind mit dem Schwert durchbohrt und auf der Schwelle des Hauses vermodern lassen. Meine Gefährten und ich beerdigten die Leichen. Und nun sag mir, Aires, wie hätte sich das kleine Mädchen wehren sollen? Es sind ja immer die Schwächsten, die am meisten leiden. Nicht alle sind so stark wie du. Wem die Kräfte fehlen, kann zwar immer noch mutig sein. Aber Mut allein reicht nicht aus.« Sennar fuhr sich mit der Hand über das Gesicht und sah dann Aires in die Augen. »Zugegeben, ich habe Angst, denn ich will nicht sterben. Aber gleichzeitig weiß ich, dass ich nicht umkehren darf. Das aber nicht, weil es mir Spaß machen würde, den Helden zu spielen. Was ist auch schon heldenhaft daran, sich ein Schiff zu suchen und aufs Meer hinauszufahren? Nein, ich tue es, weil ich das unablässige Sterben um mich herum nicht mehr ertrage. Und weil ich Angst habe, dass ich mir Untätigkeit selbst nicht verzeihen würde.«
Die Sonne am Horizont war verschwunden. Aires blieb, die Beine übereinandergeschlagen und den Blick auf das Meer hinaus gerichtet, neben Sennar im Sand sitzen. Sie lächelte. »Eigentlich gefällst du mir, Magier. Du bist ein echter Kerl und wärst zu großen Dingen fähig. Aber ich hab verstanden, dass ich deine Einstellung nicht ändern kann.«
Sennar spürte, dass seine Wehmut gewichen war. Er war jetzt ganz ruhig. Zum ersten Mal brachte ihn Aires' Nähe nicht in Verlegenheit. Es spielte keine Rolle, dass er ein Mann war und sie eine betörend schöne Frau. Sie waren fast Freunde.
Da wurde er plötzlich aus seinen Gedanken gerissen -durch einen Tritt in den Nacken, der ihn zur Seite warf.
Aires sprang auf. »Hast du den Verstand verloren?«, rief sie zornig.
Mit vor Wut hochrotem Gesicht stand Benares hinter ihnen. »Glaubst du denn, ich bin blind? Jetzt auch noch dieses
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