Die Drachenkämpferin 02 - Der Auftrag des Magiers
stammten von dort.
Es geschah zum ersten Mal, dass Varen einen Kerker aufsuchte. Üblicherweise wurden ihm die Gefangenen während seiner Audienzen im Freien vorgeführt. Der Modergeruch, den die Mauern absonderten, schnürte ihm fast die Kehle zu.
Die Wache verbeugte sich voller Ehrfurcht.
»Verzeiht, dass Ihr Euch herbemühen musstet. Aber wir hielten es für unnötig, Euch mit dieser Angelegenheit zu behelligen. Deswegen haben wir diesen Eindringling gleich zum Tode verurteilt ...«
Varen unterbrach den Mann mit einer unduldsamen Handbewegung.
»Schon gut. Worum geht es hier?«
Der Wachsoldat erstattete Bericht: »Zwei Kinder haben den Fremden in der Nähe des Kraters gefunden, Herr. Ich selbst wurde auf ihn aufmerksam, als er in Eressea umherstreifte, und als ich merkte, dass er einer von oben ist, habe ich ihn sogleich in den Kerker geworfen. Meiner Ansicht nach muss ihn jemand eine Zeitlang bei sich aufgenommen und gepflegt haben: Niemand durchquert ja mit heiler Haut die Kraterstrudel. In dieser Angelegenheit untersuche ich noch, hoffe aber, die Schuldigen bald schon der Justiz überantworten zu können.«
Der Graf nickte gelangweilt. »Ja, ja. Führ mich zu ihm.«
Im Gang vor der Zelle wartete ein greiser Magier mit langem weißem Haar auf sie. Der Graf kannte ihn, er hieß Deliah.
»Der Gefangene ist ein Zauberer, Herr, aber er kam nicht mehr dazu, seine Kräfte zu nutzen«, erklärte der Alte mit rauer Stimme. »Bevor er Schaden anrichten konnte, habe ich ihn sofort mit einem Entzugszauber belegt. Im Moment wirkt die Formel noch, doch in einigen Tagen wird er seine Kräfte wiedererlangen. Daher schlage ich vor, ihn hinzurichten, bevor dies eintritt.« »Das habe nur ich zu entscheiden«, beschied ihm der Graf knapp. »Jetzt möchte ihn erst einmal sehen.«
Die Wache führte ihn zur Zelle und öffnete die Gittertür, und der Graf erblickte eine im Dunkeln halb verborgene Gestalt.
»Was versteckst du dich dahinten, du Bastard?! Tritt vor«, brüllte der Wachsoldat. Der Graf bedachte ihn mit einem vernichtenden Blick. »Wage es noch einmal, so mit einem Gefangenen umzugehen, und du kannst dir eine andere Arbeit suchen«, erklärte er mit ruhiger, fester Stimme. »Ihr könnt alle gehen. Ich werde allein mit dem Gefangenen sprechen.« »Aber, Herr ...«, begann die Wache.
»Geht«, wiederholte der Graf, in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete. Gefolgt von dem ehrwürdigen Deliah, zog die Wache ab.
Der Graf musterte den aufrecht in seiner Zelle stehenden Gefangenen. Das Mädchen hatte gesagt, dass er noch jung sei, aber der war ja noch ein Bübchen. Er unterdrückte einen Anflug unwillkürlichen Widerwillens gegen dessen dunkle Hautfarbe, die feuerroten Haare und das lange, verknitterte Gewand. »Sprecht. Ich höre.«
»Ich danke Euch, Graf, dass Ihr mir diese Audienz gewährt«, begann der Magier mit fester Stimme. »Mein Name ist Sennar, und ich vertrete das Land des Windes im Rat der Magier der Aufgetauchten Welt. Ich muss Euch eine lange, schmerzvolle Geschichte erzählen. Auch wenn ich Euch, was ich nicht hoffe, damit langweilen sollte, ist sie unverzichtbar, um die Lage zu verstehen, in die meine Welt geraten ist ...«
Als Sennar mit seinem Bericht fertig war, ließ der Graf ein höhnisches Lachen erklingen. »Ihr schlagt uns also ernsthaft vor, jenen Ländern militärischen Beistand zu leisten, die uns einst erobern wollten?«
»Nein, hört mich an. Ich bitte Euch. Ein ganzes Jahr lang stand ich an der Seite des Heeres im Land des Windes. Ich sah Tausende junger Männer sterben, die für eine bessere Zukunft kämpften. An der Front wird die Lage von Tag zu Tag verzweifelter. Es ist nicht nur der hohe Blutzoll, die Gefallenen, die Niederlagen ... Nein, es ist auch das Gefühl der Machtlosigkeit, die Entmutigung. Wir sind am Ende unserer Kräfte, Graf. Und mir ist klar geworden, dass wir diesen Kampf niemals siegreich bestehen können. Deswegen bin ich hier. Der Tyrann ist stärker, verfügt über mehr Männer, und seine Armee kennt keine Skrupel. Dem können wir nichts entgegensetzen, außer den festen Willen, uns nicht zu unterwerfen und in Frieden zu leben.« »In Frieden?«, wiederholte der Graf in spöttischem Ton. »Ihr seid nicht fähig, in Frieden zu leben. Ihr habt stets eure persönlichen Interessen über das Gemeinwohl gestellt. Euer jetziger Krieg ist nur einer unter vielen in einer langen, sinnlosen Kette. Und er ist allein eure Angelegenheit.« »Aber die Soldaten, die ich
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