Die Drachenkämpferin 02 - Der Auftrag des Magiers
Ihr damit sagen?«, fragte Sennar nach.
»Nun, bedenkt, dass in Zalenia jedermann im Hass auf ›die von oben‹, wie ihr bei uns nur heißt, aufwächst. In allen Märchen spielen Bewohner der Aufgetauchten Welt die Rolle der Bösen. Dieser Hass ist es, gegen den Ihr bestehen müsst.«
»Ich vertraue darauf, dass Euer Herrscher bemüht sein wird, eine gerechte Entscheidung zu finden.«
»In der Politik geht es nicht um Gerechtigkeit, Rat«, erwiderte der Graf. »Allzu häufig sind die Regierenden gezwungen, dem Willen gerade der Engstirnigsten zu entsprechen. Glaubt mir. Das weiß ich aus eigener Erfahrung.« »So, meint Ihr? Ich hingegen bin immer noch der Überzeugung, dass eine Politik, die sich nicht um Gerechtigkeit bemüht, ihren Sinn verliert.«
Der Graf schüttelte den Kopf. »Möge Euch das Leben nie enttäuschen und Euren Idealismus erlahmen lassen«, sagte er und gab Sennar zum Abschied die Hand. »Uns steht eine lange Reise bevor. Gleich morgen werden wir aufbrechen.«
Mit strahlendem Gesicht durchquerte Sennar den Flur, der zum Ausgang führte. Ihm war, als schwebe er. Gewiss, noch hatte er seine Mission zu keinem glücklichen Ende geführt, aber die Entscheidung des Grafen war ein wichtiger Schritt in diese Richtung.
Als er durch das Tor trat, sah er sie schon: Mit einem Korb im Schoß saß sie unten auf einer Stufe und wartete. Sennar rannte die Treppe hinunter: »Ondine!«
Das Mädchen wandte den Kopf, sprang so ruckartig auf, dass der Korb zu Boden fiel, und stürzte ihm entgegen. Ganz fest klammerte sie sich an ihn, und sogleich durchströmten Sennar die gleichen Gefühle wie am Abend zuvor.
»Ich hab mir solche Sorgen gemacht«, flüsterte sie. Sie blickte ihn an. »Was hat denn der Graf gesagt?«
Sennar schwieg einen Augenblick, amüsiert über die Miene, mit der Ondine jede Regung in seinem Gesicht beobachtete. Schließlich hob er sie hoch und wirbelte mit ihr herum. »Geschafft! Er bringt mich zum König.«
Arm in Arm drehten sie sich ausgelassen im Kreis und ließen sich dann auf den Rasen vor dem Palast fallen. Über ihren Köpfen flogen Fischschwärme durch das Wasser. Immer so leben können: Das wünsche ich mir, dachte Sennar.
Ondine blickte ihm fest in die Augen. »Ich begleite dich.«
Sennar war fassungslos. »Du willst mitkommen? Und was ist mit deinen Eltern?«
»Ich habe ihnen schon gesagt, ich würde eine Weile fort sein«, antwortete sie mit einem Achselzucken.
»Hör mal zu, Ondine. Ich glaube nicht, dass ...«
Das Mädchen unterbrach ihn, indem sie ihm einen Finger auf die Lippen legte. »Ich habe dir das Leben gerettet, hoher Rat. Das heißt, ich habe gewisse Rechte auf dich.«
Nachdem sie den Proviant aus Ondines Korb verzehrt hatten, machten sie sich auf die Suche nach einer Übernachtungsmöglichkeit. Das Mädchen überließ Sennar ihren Umhang, unter dem er Gesicht und Haare notdürftig verbarg, und Arm in Arm schlugen sie den Weg zu einem Gasthaus ein.
Der Wirt empfing sie mit unzähligen Fragen und verhielt sich Ondine gegenüber ausgesprochen grob, doch sie schien dem keine Beachtung zu schenken.
»Wir haben nur noch ein einziges Zimmer frei«, erklärte er schließlich.
Ondine ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. »Einverstanden, das nehmen wir.« Bei der Vorstellung, die Nacht mit Ondine in einem Raum zu verbringen, kamen Sennar Gedanken, die ihm angesichts der Umstände wenig passend erschienen. Und er wies sich selbst zurecht. Was bist du bloß für ein Diplomat? Du hast doch eine bedeutende Mission zu erfüllen. Das Schicksal der Aufgetauchten Welt liegt in deiner Hand. Willst du dich in diesem Moment von der Leidenschaft mitreißen lassen?
Als sie die Schwelle überschritten, traf Sennar fast der Schlag: In dem Zimmer stand, groß und breit, nur ein einziges Bett. »Keine Angst«, stammelte er, »ich werde auf dem Boden schlafen.« Das Mädchen blickte ihn verstohlen an. »Ja, gewiss, wie du meinst.«
13. Befreiungsversuch
Erst als es dunkel wurde, machten sie sich auf den Weg, was Nihal für keine kluge Entscheidung hielt. Gewiss, die Finsternis schützte sie, jedoch ist die Nacht ein zweischneidiges Schwert: Man wird nicht gesehen, kann aber auch den Feind nicht klar erkennen. Alle Überfälle, deren Opfer Nihal in ihrem Leben bereits geworden war, hatten nachts stattgefunden. »Hätten wir nicht lieber bis zum Morgengrauen warten sollen?«, fragte sie, dem Greis folgend, der geschwind zwischen Büschen und Bäumen hindurchhuschte.
»Nein,
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