Die Drachenkämpferin 02 - Der Auftrag des Magiers
undeutlichen Schimmer. Noch langsamer und vorsichtiger schob sie sich weiter. Sollte der Gang tatsächlich zu dem Banditennest führen, durften die Männer keinesfalls auf sie aufmerksam werden.
Am Ende des Stollens stieß sie auf eine schmale Öffnung, durch die fahles Licht in die Dunkelheit einsickerte. Sie kroch noch näher heran. Die Wand war ganz dünn und würde sich vielleicht schon mit einem kräftigen Schulterstoß durchbrechen lassen.
Nihal spähte durch die Öffnung, und was sie sah, ließ ihr Herz schneller schlagen. Nur wenige Ellen unter ihr saß Laio gefesselt auf ein wenig Stroh. Seine Kleider waren zerrissen und verdreckt, aber, soweit sie das erkennen konnte, ohne Blutspuren. Sein Gesicht wirkte blass und mitgenommen, doch er schien nicht ernsthaft verletzt. Nihal musste gegen den Drang ankämpfen, diese verfluchte Wand zu durchstoßen und, entgegen aller Pläne und Überlegungen, loszustürmen und ihn zu befreien. Sie kniff die Augen zusammen. Gemach, Nihal Wirf nicht wieder alles über den Haufen! Als sie sich ein wenig ruhiger fühlte, schaute sie wieder hinunter. Bei der Höhle handelte es sich um einen großen, von hohen Felswänden begrenzten Raum. Er war rund und mochte wohl einen Durchmesser von gut zwanzig Ellen aufweisen. Vier in Nischen angebrachte Fackeln verbreiteten ein rötliches Licht. Längs der Wände sah man Strohlager, und an einer Stelle war die Wand ein wenig ausgehöhlt worden, um Platz für ein Lagerfeuer zu schaffen. Nihal erblickte auch den verwundeten Banditen. Er lag auf einer Pritsche, mit einem Verband um das rechte Bein. Neben ihm befanden sich noch fünf Männer in der Höhle. Die anderen mussten sich in dem angrenzenden Raum aufhalten. Es sei denn, es gab noch einen zweiten Ausgang, den sie nicht entdeckt hatte. Nihal fluchte vor sich hin. Wenn sie wieder draußen war, würde sie wohl oder übel wie ein Wurm auch noch in jene Löcher hineinkriechen müssen, die sie sich noch nicht angesehen hatte.
Sie musterte die Banditen. Sie waren nichts Besonderes: ein Haufen kräftiger Männer mit finsteren Visagen. Das sind keine ausgebildeten Soldaten. Die kann ich schaffen. Auch für den Rückweg benötigte sie Zeit und Geduld. Da es zu eng war, um sich umzudrehen, musste Nihal ihn rückwärtskriechend zurücklegen. Sie riss sich Ellbogen und Knie auf, und als sie endlich wieder ans Licht kam, fühlte sie sich, als würde sie noch mal geboren. Und die Luft roch so gut wie ein teures Parfüm.
Bis zum Sonnenuntergang war sie damit beschäftigt, in mehr oder weniger engen Gängen herumzukriechen, bis sie sicher sein konnte, dass es keine weiteren Zugänge zur Höhle gab. Als sie endlich wieder ihren Platz bei dem Bach erreicht hatte, war es bereits eine Weile dunkel. Sie war erschöpft. Gierig verschlang sie den Proviant, den ihr der Alte überlassen hatte, und machte es sich dann zwischen den Ästen einer mächtigen Eiche bequem. Sie mühte sich, noch einmal über das beste Vorgehen zu Laios Befreiung nachzudenken, doch die Müdigkeit war zu stark, und bald schon folgten ihre Gedanken immer abstruseren Pfaden, bis der Schlaf sie überkam.
Geweckt wurde sie von den ersten Sonnenstrahlen des neuen Morgens.
Rasch kletterte sie vom Baum hinunter und tauchte, wie am Morgen zuvor, den Kopf in das Bachwasser, das eiskalt, aber angenehm erfrischend war. Um wach zu werden, gab es nichts Besseres.
Den ganzen Tag war sie damit beschäftigt, Fallen aufzustellen. Dies war nichts, was man ihr in der Akademie beigebracht hatte. Dort behandelte man Feldzüge und Schlachten, und solche feigen Banditen-Methoden waren verpönt. Sie selbst hatte diese Kunst jedoch schon als Kind gelernt, von Barod, einem Jungen aus ihrer Bande. Mit ihren Fallen hatten sie zahlreiche Vögel erwischt. Später dann hatte Ido ihr erklärt, wie solche Techniken im Kampf hinter der Front einzusetzen waren. Als echtem Krieger war dem Gnomen jedes Mittel recht, um den Gegner zu bezwingen. »Hinterher fragt niemand mehr, wie der Sieg zustande gekommen ist«, sagte er dazu. Es war eine mühevolle Arbeit, die ihr nur langsam von der Hand ging, vor allem, weil ihr die passenden Werkzeuge fehlten. Sie hatte bloß eine Schnur und ihr Messer, und damit musste sie sich behelfen. Die Schnur schnitt sie in mehrere Stücke und knüpfte daraus eine Reihe von Schlingen, die sie unter dicken Schichten trockenen Laubes verbarg. Dann wurde es schwieriger. Knapp hinter der ersten Baumreihe und genau in einer Linie mit dem
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