Die Drachenkämpferin 02 - Der Auftrag des Magiers
Höhleneingang hob sie einen etwa fünfzehn Ellen langen Graben aus. Es war mühsam, weil sie nur mit dem Schwert und den bloßen Händen graben konnte, doch zum Glück reichte ihr eine Tiefe von nur wenigen Handbreit. Am frühen Nachmittag war sie fertig damit. Dann ging sie dazu über, einen ganzen Haufen von Ästen anzuspitzen, die sie als Palisaden dicht nebeneinander in den Graben rammte. Schließlich häufte sie Laub darüber und spannte ihr letztes Stück Schnur auf Knöchelhöhe längs vor den Graben.
Als sie fertig war, war die Sonne fast schon untergegangen. Nihal stieß ungehalten die Luft aus: Das hatte länger gedauert als geplant.
Sie zwang sich zu einer Ruhepause, kehrte auf ihren Baum zurück und deckte sich mit ihrem Umhang zu. Sie würde schlafen, bis es dunkel wurde - und dann zur Tat schreiten. Die ersten Grillen hatten gerade ihr Konzert angestimmt. Es war ein klarer, frischer Abend. Nach der Schwüle des Tages kniff die Kälte ihr in die Haut. Unter dem Umhang war es warm geworden, und der abkühlende Schweiß weckte sie vollends.
Langsam schlich sie sich zum Höhleneingang, nahm einen Stein und zog ihr Messer aus dem Stiefelschaft. Aus der Ferne beobachtete sie die Wache. Es war der verschlafene Bandit vom Vortag. Er wirkte ganz ruhig, und die Augenlider vor Müdigkeit halb geschlossen, hatte er nicht bemerkt, wie sie näher gekommen war. Ist das nicht oft so? Das Unheil nähert sich ganz unerwartet, im Augenblick größten Friedens. Und wenn der Tod kommt, ist alles ganz anders, als man gedacht hätte. So wie an jenem Tag in Salazar.
Ihre Finger schlossen sich fester um den Messergriff, ohne dass sie dabei Zorn verspürt hätte. Das, was sie gleich tun würde, war eine neue Erfahrung für sie, etwas ganz anderes als eine offene Schlacht. Kaltblütig würde sie einen Mann umbringen, einen Mann, der sie in keiner Weise bedrohte und nicht damit rechnete, dass der Tod bereits hinter einem Busch auf ihn lauerte. Nihal hatte nie Skrupel zu töten. Beim ersten Mal ging alles zu schnell, um darüber nachzudenken, und später dann hatte der Krieg jedes Gefühl ausgelöscht. Töten war zur Gewohnheit geworden. Doch dort, hinter dem Gebüsch kauernd, ohne den ohrenbetäubenden Schlachtenlärm um sich herum, war es Mord, einem Mann die Kehle durchzuschneiden.
Mit voller Wucht schleuderte Nihal den Stein zwischen die Farne vor der Felswand. Es ist für Laio. Für ihn tue ich es. Der Aufschlag war laut. Die Wache schreckte auf und spähte in die Dunkelheit.
Nihal erhob sich und schlich auf ihn zu, angespannt und wachsam.
Das Schwert gesenkt, bewegte sich der Mann ein paar zaghafte Schritte, und mit einem Satz war Nihal über ihm. Sie presste ihm eine Hand auf den Mund, während sie ihm mit der Klinge in der anderen die Kehle durchschnitt. Lautlos sackte der Bandit langsam in ihren Armen zusammen. Sie ließ ihn fallen und wandte den Blick ab. Hör auf. Für Sentimentalitäten ist jetzt keine Zeit. Rasch kehrte sie ins Dickicht zurück, um das Holz zu holen, das sie tagsüber vorbereitet hatte, und schichtete es vor dem Höhleneingang auf. Mithilfe eines Feuersteins entzündete sie es und rannte dann so schnell sie konnte davon. Die Aste waren so frisch, dass sie nur langsam brennen würden, aber dennoch war Eile geboten.
Sie kletterte die Felswand hinauf, fand den Stollen zur Höhle und zwängte sich hinein. Ellbogen und Knie schmerzten zwar noch vom Vortag, doch sie gab nichts darauf. Dafür lauschte sie angespannt auf das leiseste Geräusch aus der Höhle. Aber noch eine ganze Weile war das Einzige, was sie hörte, das Schleifen ihres Körpers auf dem Stollenboden.
Als sie mehr als die Hälfte des Weges geschafft hatte, drangen undeutliche Stimmen an ihr Ohr, die gedämpft, aber keineswegs beunruhigt klangen.
Keine Sorge. Der Rauch braucht eine Weile. Das hast du doch eingeplant.
Dann war die schmale Öffnung erreicht, die ein wenig Licht in den Gang ließ. Nihal reckte sich vor, um hindurchzusehen. In der Höhle war die Luft immer noch klar, doch es roch bereits nach Rauch. Die Männer waren alle aufgestanden und schnupperten herum. Fünf waren es. Zwei fehlten, wahrscheinlich hielten sie sich in der angrenzenden Höhle auf. Einige der Banditen wandten sich jetzt dem Ausgang zu, um nachzusehen, was los sei, doch da gab es wenig zu entdecken: Die Luft wurde nun immer trüber und verrauchter. Nihal beobachtete, wie die Männer erregt aufeinander einredeten und nervös in der Höhle auf und ab
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