Die Drachenkämpferin 02 - Der Auftrag des Magiers
zu schreiten. Langsam, hoch konzentriert begann er, sich umzuschauen.
»Mag auch die Wahrscheinlichkeit, dass deine Worte fundiert sind, noch so gering sein«, antwortete der König, in dem er sich missmutig auf seinem Thron aufrichtete, »so bin ich doch gezwungen, sie in Erwägung zu ziehen. Daher werde ich dir eine Privataudienz ermöglichen, damit ...«
Genau in diesem Moment überfiel Sennar ein so heftiges Gefühl der Gefahr, als habe ihn ein Schwertstreich getroffen. Er drehte sich um und sah ihn: Auf einem der unteren Ränge war ein in einen schwarzen Umhang gehüllter Mann aufgestanden und streckte nun die Hand zum Herrscher aus. Sennar blieb keine Zeit zum Nachdenken, er sprang vor, bereit, sofort die Schutzformel zu sprechen. Der Angriff erfolgte und war genau gezielt, doch Sennar war schneller: Ein grüner Blitz brach sich mit Getöse an einem blasssilbernen Schutzschild.
Einen Augenblick schien die Zeit stillzustehen: die Menge, der König, die Wachen, Varen, er selbst, auf dem Boden liegend: Alles war erstarrt. Sennar spürte einen heftigen Schmerz in einem Bein. Dort hatten ihn Funken des Blitzes getroffen. Er versuchte aufzustehen, als ein zweiter Blitz gegen den Schutzwall, den er errichtet hatte, prallte. Bevor er wieder zurücksank, sah er noch den Attentäter, einen Mann des Tyrannen, flüchten und mit der aufgebrachten Menge verschmelzen. Auf den Rängen ertönten hysterische Schreie, die Menschen drängten hinaus, wurden zur Seite gestoßen von den Soldaten, die dem Fliehenden nachsetzten.
Sennar rappelte sich auf und begann zu laufen. Jedes Mal, wenn er den Fuß aufsetzte, nahm ihm ein stechender Schmerz den Atem, doch davon ließ er sich nicht aufhalten. Mit flatterndem Umhang stob der schwarze Magier davon und warf nacheinander alle Soldaten nieder, die ihn festzuhalten versuchten. Sennar blieb ihm auf den Fersen, obwohl er humpelte und mehrmals stolperte. Er sah den Schurken vor sich, der umgeben war von einer sonderbaren purpurfarbenen Glocke. Mit einer solchen Schutzhülle hatte Sennar keine Erfahrung, aber er musste es wagen. Er schätzte die Entfernung, die ihn von dem Attentäter trennte - er schien nahe genug zu sein -, streckte dann die Hände vor und brüllte aus Leibeskräften eine Zauberformel.
In einem Splitterregen zerbarst die purpurne Glocke, und der Mann stürzte auf das Pflaster. In aller Eile raffte Sennar das Schwert eines der Soldaten am Boden auf und bewegte sich humpelnd auf den Attentäter zu. So ein Versteinerungszauber war etwas für Anfänger und würde einen echten Magier nicht lange aufhalten. Er musste den Mann so schnell wie möglich unschädlich machen. Als er endlich direkt vor ihm stand und ihm die Kapuze zurückzog, erfasste Sennar ein Schwindel.
»Wer nicht stirbt, den sieht man wieder, nicht wahr, Sennar?«
Zu seinen Füßen lag ein vielleicht zwanzigjähriger junger Mann mit rabenschwarzen Haaren, die ihm tief in die Stirn hingen, und spöttisch dreinblickenden grünen Augen.
Sennar hatte ihn in Makrat kennengelernt, als er unter Flogistos Anleitung seine Ausbildung zum Ratsmitglied abschloss. Einige Male hatten sie sich auch länger miteinander unterhalten. Rodhan, so hieß er, war ein junger, vielversprechender Zauberer aus dem Land der Sonne gewesen. Einer von ihnen.
»Nicht schlecht, unser Sennar«, feixte Rodhan. »Wer hätte das gedacht? Der Tyrann hätte nicht einmal einen halben Dinar auf dich gesetzt, und schau sich mal einer an, zu was der Junge fähig ist! Glückwunsch auch zu der feinen Rede, so gar mit dem Mundwerk bist du nicht schlecht. Aber merk dir: Weder du noch irgendein anderer wird meinen Herrn aufhalten!«
Sennar keuchte schwer, und auch der Schmerz im Bein wollte nicht nachlassen. »Flogisto, mein Meister, hat auch dich ausgebildet ... Warum hast du uns nur verraten?«
»Weil der Tyrann groß ist und ihr gegen ihn nur Ameisen seid.« Rodhan wandte sich an die kleine Menge, die stumm die Szene verfolgte: »Und das gilt auch für euch! Der Tyrann weiß jetzt, wie er zu euch gelangen kann. Vergesst das nie!«
Der Zauber würde nicht mehr lange anhalten und dieser Diener des Tyrannen wieder gefährlich werden. Was nun? Sennar spürte das Heft des Schwertes zwischen seinen Händen, und ein Gedanke schoss ihm durch den Kopf.
Rodhan merkte es. »Ich rate dir, töte mich, sonst wirst du von meiner Hand sterben«, murmelte er mit einem widersinnigen, der Situation völlig unangemessenen Lächeln.
Sennar zögerte und umklammerte
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