Die Drachenkämpferin 02 - Der Auftrag des Magiers
kaum das Mobiliar erkennen konnte und schon nach wenigen Metern gegen eine Anrichte in einer Ecke stieß.
»Gib mir die Hand, ich führe dich«, forderte Laio sie auf.
Das ließ sich Nihal nicht zweimal sagen.
»Du wunderst dich sicher, dass es hier drinnen so dunkel ist. Aber so leben viele Exilanten aus meiner Heimat. Wer aus dem Land der Nacht stammt, hat für Licht nicht viel übrig. Bei uns zu Hause waren immer alle Fensterläden geschlossen. Nur nachts wurden sie geöffnet. Mein Vater meint, auf diese Weise würden wir unsere Wurzeln nicht vergessen.«
Wie eine Blinde ließ sich Nihal durch das Haus führen, bis sich ihre Augen besser an die Dunkelheit gewöhnt hatten.
Sie durchquerten lange Flure, die geräumige, jeweils nur mit dem Nötigsten eingerichtete Zimmer verbanden. Einem Tisch in der Mitte, einer Truhe an einer Wand und wenig mehr. In nahezu jedem Raum gab es einen so großen Kamin, dass Nihal sich problemlos hätte hineinstellen können. An den Wänden hingen Schwerter, Lanzen und alle nur denkbaren anderen Waffen. Uber allem lag ein tiefes Schweigen, unterbrochen nur vom Echo ihrer Schritte auf dem Steinboden. Die Luft roch abgestanden. Es war, als seien sie ins Erdinnere hinabgestiegen, und je länger sie dort waren, desto bedrückender empfand Nihal diesen Ort.
Schließlich gelangten sie zu einer schweren zweiflügeligen Holztür, und der Diener trat zur Seite. Laio atmete einmal tief durch und öffnete sie.
Der Salon, den sie betraten, war sehr viel größer als die anderen Räume und auch sehr viel besser beleuchtet. In der Mitte stand ein schier endlos langer Tisch, an dessen Kopfende Pewar saß. Die Ähnlichkeit mit dem Sohn war unverkennbar: blondes gelocktes Haar und hellgraue Augen, doch seinem Gesicht fehlte Laios Lebendigkeit. Seine Züge wirkten hart, und in seinem Blick erkannte man die Strenge eines Mannes, der sich und anderen äußerste Disziplin abverlangte. Obwohl er zu Hause war, trug er seine Generalsuniform und sein Schwert an der Seite. Er erhob sich nicht. Laio war es, der vortrat und ihn mit einer ehrfürchtigen Verbeugung begrüßte. Während er ihm eine starre Hand auf die Schulter legte, antwortete Pewar: »Ich habe dich schon vor Tagen erwartet.«
»Meine Reisegefährtin und ich wurden unterwegs aufgehalten.« Laios Stimme zitterte. Pewar wandte Nihal den Blick zu und musterte sie von oben bis unten. Die Halbelfe senkte den Kopf.
»Ist sie der Grund für deinen Aufenthalt in diesem Lager?«, fragte er.
»Ja, auch ... Sie ist eine echte Freundin. Sie hat mich gerettet, als wir von Fammin überfallen wurden, und mich verletzt in ihr Lager mitgenommen. Und auf dem Weg hierher musste sie mich aus der Hand von Banditen befreien«, erzählte Laio in einem Atemzug.
Pewar sah Nihal wieder lange an, doch sie hielt dem Blick stand. »Mit dir werde ich mich später noch unterhalten. Aber nun lass mich mit meinem Sohn allein. Man wird dich auf dein Zimmer führen.«
Lautlos trat der Diener hinter Nihal, und ihr blieb nichts anderes übrig, als ihm zu folgen. Eine ganze Weile - wie lange, hätte sie nicht sagen können - hockte Nihal auf ihrem Zimmer. Die Dunkelheit erdrückte sie, und sie zwang sich, in das flackernde Flämmchen der einzigen Kerze zu starren, die den Raum erhellte.
Endlich klopfte jemand an die Tür, und Laio trat mit betrübter Miene ein. Seine Augen glänzten. Nihal verstand auf Anhieb. »Es ist nicht gut gelaufen, oder?«
Laio schüttelte nur den Kopf.
»Du wusstest doch, dass es nicht leicht sein würde.«
»Schon. Aber er schien sich noch nicht mal zu freuen, mich heil und gesund wiederzusehen«, murmelte der Junge und rang die Hände. »Für ihn könnte ich auch tot sein. Dann würde ich wenigstens nicht länger den guten Namen unserer Sippe in Verruf bringen.«
»So ein Unsinn, Laio. Natürlich hat er sich gefreut, dich zu sehen ...«, versuchte Nihal, ihn zu trösten.
»Weiß du, was er gesagt hat?«, unterbrach er sie. »Dass nur Findelkinder Knappen werden. Das sei meiner unwürdig, weil ich ja einer Kriegerfamilie entstamme und meinen Vorfahren nicht nachstehen dürfe.« Nihal sah, dass Laio Tränen der Wut in den Augen standen. »Aber das interessiert mich nicht. Ich hab das alles nicht durchgemacht, um jetzt den Schwanz einzuziehen. Diesmal lasse ich mich nicht kleinkriegen. Diesmal setze ich mich durch.«
An diesem Tag stellte Pewar Nihals Geduld auf eine harte Probe. Wie es aussah, war den Spitzen der Akademie allen dasselbe
Weitere Kostenlose Bücher