Die Drachenkämpferin 02 - Der Auftrag des Magiers
an, Schüler wie Lehrer gleichermaßen, und besonders Raven auf seinem erhöhten Platz vermochte den Blick nicht von ihr abzuwenden. Nihal wusste, warum: weil sie eine Frau war - und dazu noch eine Halbelfe. Und ihr war, als habe sich seit damals gar nichts geändert.
Schweigend schlürfte sie ihre Suppe, während Laio unermüdlich auf sie einredete und Ido sie wortlos beobachtete.
Als es Zeit war, sich zum Schlafen zurückzuziehen - man hatte allen dreien unterschiedliche Kammern zugewiesen hielt der Gnom sie auf: »Ich weiß, wie du dich fühlst, Nihal. Aber du musst keine Angst haben. Was du morgen empfangen wirst, hast du dir redlich verdient.« »Ja, schon«, antwortete sie, wenig überzeugt. »Mir ist zu warm, ich glaube, ich mache noch einen kleinen Spaziergang«, versetzte sie dann knapp und entfernte sich eilig. Sie wollte allein sein. Am Tag darauf kam ihr der große Saal noch riesiger vor, als sie ihn in Erinnerung hatte. Er war voll, brechend voll, quoll über vor Menschen. Nihal bekam kaum noch Luft: Sie alle waren ihretwegen gekommen. Bereits nach dem Aufstehen hatte sie so einen seltsamen Druck auf der Brust verspürt. Laio hatte darauf bestanden, ihr beim Ankleiden zur Hand zu gehen. Es war eine Freude, ihm zuzusehen, wie er Schnallen schloss, ihr die Rüstung anlegte, dann die Beinschützer befestigte ... »Du wirst auch immer perfekter als Knappe«, bemerkte Nihal dazu.
»Sag das nicht zu laut«, antwortete Laio scherzend, »irgendein Ritter könnte dich hören und versuchen, mich mit einem guten Angebot von dir wegzulocken.«
Nihal lachte.
»Fertig!«, rief Laio nach einem letzten Ruck. »Nun kannst du dich mal anschauen, Ritter Nihal.« Das Mädchen trat vor den großen Spiegel und hätte sich beinahe nicht wiedererkannt: Auf der silbernen Fläche erstrahlte die Gestalt eines Krieger, eines echten Kriegers, stattlich und bedrohlich.
»So werden dich deine Feinde in Zukunft auf sich zurasen sehen: wie ein schwarzer Dämon«, erklärte Laio lächelnd. »Jetzt ist aber keine Zeit mehr für Eitelkeiten, Ritter. Du musst los.« Während sie an Laios Seite die Flure der Akademie durchlief, wurde ihr Unbehagen noch stärker. Und als sie dann die unendliche Kette der Gewölbebögen im Festsaal über sich sah, erreichte es seinen Höhepunkt.
Um sich zu beruhigen, schloss Nihal die Augen und stellte sich vor, dass Sennar dort sei, mitten in der Menge. Ich hab's geschafft, Sennar. Schau mich an. Ich hab's geschafft.
Dann ertönten Trompetenfanfaren, und Raven und Sulana, die blutjunge, ganz im Geiste ihres Vaters regierende Königin, hielten ihren Einzug.
Wie gewohnt, schritt der oberste General mit stolzgeschwellter Brust einher. Er trug eine besonders festliche Rüstung, die in Silber und Edelsteinen erstrahlte und, gänzlich unpassend, mit Fransen übersät war. Dazu zeigte er jene triumphierende, verächtliche Miene, die Nihal schon immer gehasst hatte. Aufgeregt mit dem Schwanz wedelnd, folgte ihm sein unvermeidliches Hündchen in einigen Schritt Abstand.
An Ravens Arm schritt Sulana, schön wie eine Nymphe, ätherisch und ganz auf ihre Rolle bedacht. Ihr Gang war feierlich, und der Ausdruck ihres Gesichts, das keinen Augenblick der Menge zugewandt war, wirkte für ihre Anmut und ihre jugendlichen Züge ungewöhnlich reif. Als sie Sulanas Sessel erreicht hatten, half Raven ihr Platz zu nehmen und blieb dann zu ihrer Rechten stehen.
Gleich hinter der offenen Saaltür trat Nihal ungeduldig von einem Fuß auf den anderen. Noch sah die Etikette ihren Einzug nicht vor. Zunächst war Ido an der Reihe. Nihal hatte ihn bereits mehrmals in vollem Ornat gesehen, doch heute trug er etwas Kriegerisches zur Schau, das ihm die vorherigen Male gefehlt hatte. Er hatte eine schmucklose, funktionale Rüstung angelegt, die man selten an ihm sah, und sein Gang wirkte dermaßen entschlossen, dass er trotz seiner geringen Körpergröße alle zu überragen schien.
Vor der Königin und dem obersten General blieb er stehen, zog sein Schwert, legte es auf den Boden und kniete nieder, um sich gleich darauf wieder zu erheben.
Ein Gemurmel durchlief die Menge: Das Protokoll sah vor, dass der Ritter als Ehrfurchtsbekundung vor Raven auf Knien blieb. Nihal lächelte, als der hohe Raven, kaum wahrnehmbar, einen Anflug von Zorn erkennen ließ.
Und die Zeremonie begann.
»Ido aus dem Land des Feuers«, ertönte die Stimme des Generals, »aus welchem Grunde trittst du heute vor mich?«
»Ich bin gekommen, um der Armee und
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