Die Drachenkämpferin 02 - Der Auftrag des Magiers
Bewegungsfreiheit nicht einschränken dürfte«, erklärte Ido, doch Nihal schwieg weiter. »Mit Sicherheit hätte dein Vater noch etwas Besseres, Kunstvolleres hinbekommen, trotzdem hoffe ich, dass dir die Rüstung gefällt und dass du gut darin kämpfen kannst und ... ach, zum Teufel!«, fluchte er schließlich.
Nihal war ihm um den Hals gefallen und umarmte ihn ganz fest. Damit hätte sie nie gerechnet: Es war ein fantastisches Geschenk, ein Beweis, wie viel sie ihm bedeutete und welch große Stücke er auf sie hielt. Tränen traten ihr in die Augen. »Danke, danke ...«, wiederholte sie immer wieder. Ido machte sich los. Auch seine Augen glänzten ein wenig. »Wenn du glaubst, du kannst mich zum Flennen bringen wie ein kleines Mädchen, hast du dich aber getäuscht«, schimpfte er und brach in Gelächter aus, in das Nihal einstimmte.
»Ich ... ach, es ist alles so wunderschön, Ido. Ich hab dir so viel zu verdanken: Du hast mich aus meiner Verzweiflung gerettet, hast mir den Kopf zurechtgerückt, hast einen Krieger aus mir gemacht ... ich ...« Nihal fand keine Worte, um dem Gnomen zu danken, der sie ins Leben zurückgeführt hatte.
Ido antwortete, indem er ihr einen kräftigen Klaps auf die Schultern versetzte. »Schluss, jetzt reicht's mit den Rührseligkeiten. Geh mal diesen Taugenichts Laio holen, damit wir aufbrechen können«, polterte er. Das Lächeln, das ihm gerade noch im Gesicht gestanden hatte, verschwand, als er Nihal aufstöhnen hörte. »Was hast du denn da wieder angestellt?«, fragte er. Wie immer, wenn er ärgerlich wurde, ließ er Rauchwölkchen in immer dichterer Folge aus seiner Pfeife aufsteigen.
Idos eindringlichen Blick auf sich gerichtet, merkte Nihal schnell, dass Leugnen wenig Sinn hatte. Verflixt noch mal. Und
was jetzt? »Ich habe mich tätowieren lassen ...«, gestand sie mit kaum vernehmbarer Stimme. Ein Rauchwölkchen stieg auf. »Und was ist das für eine Tätowierung?«
Wieder ein Rauchwölkchen.
»Zwei Flügel ... auf den Schultern ...«
Und wieder eins. Schweigen.
»Sie sind nicht besonders groß ... Und außerdem haben sie eine Bedeutung ...« Rauchwölkchen. »Na ja, wir sind schon spät dran. Deshalb will ich dir jetzt keinen Arger machen. Andernfalls hättest du was zu hören bekommen. Und nun verschwinde, bevor ich's mir anders überlege.«
Mit einem feinen Lächeln auf den Lippen stob Nihal aus der Hütte.
Nach dem Mittagessen machten sie sich auf den Weg. Ido auf Vesa, und Laio hinter Nihal auf Oarf.
Nihal liebte es zu fliegen. Wenn sie ihren Drachen bestieg und kurz darauf die Welt von oben betrachtete, war sie immer wieder so überwältigt wie beim ersten Mal. Sie ritt Oarf ohne Zaumzeug und war damit ihres Wissens die Einzige unter allen Drachenrittern. Laio musste sich mit allen Kräften an ihr festklammern, um nicht hinunterzufallen. Nihal wollte ihren Drachen nicht beherrschen, sondern sah sich als Einheit mit ihm. Kommandos waren da überflüssig, denn die Gedanken des einen waren auch die des anderen.
Gegen Abend erreichten sie Makrat. Die Stadt empfing sie mit sommerlicher Schwüle und dem gewohnten Chaos. Trotz der späten Stunde waren die Straßen und Plätze voller Menschen und hallten von Stimmengewirr, Gelächter und Lärm wider. Als sie vor dem mächtigen Eingangstor der Akademie standen, musste Nihal unweigerlich an Sennar denken. Wie idiotisch hatte sie sich doch benommen, an jenem Tag, als sie sich zum letzten Mal gesehen hatten. Anstatt ihm zu sagen, wie viel er ihr bedeutete, ihn zu umarmen und festzuhalten, damit er nicht fortging, hatte sie ihn verletzt - mit ihren Worten und ihrem Schwert. Und jetzt war er vielleicht schon tot. Sie verscheuchte den Gedanken. Nein, Sennar lebte, und er würde zurückkehren.
Zu Abend aßen sie in der Akademie, im Kreis der Kadetten. Für Nihal ein seltsames Gefühl, wieder in diesem weitläufigen Speisesaal zu sitzen.
»Weißt du noch, wie wir hier täglich gegessen haben?«, fragte Laio sie, während er es sich schmecken ließ, und erzählte dann Ido, wie er Nihal kennengelernt hatte.
Sie aber hatte keine Lust, in Erinnerungen an alte Zeiten zu schwelgen. Schließlich waren es keine schönen Monate gewesen, die sie in dieser Anstalt verbracht hatte. Und das Ganze lag auch noch gar nicht so weit zurück. Sie erinnerte sich noch gut an die Gefühle, die sie in diesen Mauern durchlebt hatte: Ausgrenzung, Einsamkeit, Hass, das Gefühl, anders als alle anderen zu sein. Auch jetzt starrten sie wieder alle
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