Die Drachenkämpferin 02 - Der Auftrag des Magiers
dem Volk aller freien Länder meinen Schüler Nihal aus dem Land des Windes vorzustellen, damit er hier und heute seine Ernennung zum Drachenritter erhalte.«
»So möge der Anwärter vortreten«, befahl Raven.
Nihal machte ihre ersten Schritte in den Saal hinein.
Es war ein eigenartiges Gefühl, allein dieses weite Mittelschiff zu durchqueren, über den dort ausgelegten roten Teppich zu laufen. Sie spürte, wie sich ihr alle Blicke zuwandten, nahm die Bewunderung wahr, die man ihr, während sie stolz auf Raven zuschritt, entgegenbrachte. Gezischte Kommentare aus der Menge drangen an ihr Ohr: »Was für ein junger Ritter!« - »Was für eine herrliche Rüstung!« - »Welch stolzer Gang!«
Vor Sulanas Thron angekommen, zog sie ihr Schwert und legte es neben sich auf den Boden, neigte das Haupt und kniete nieder. In dieser Stellung hörte sie Raven auf sich zutreten. »Wie lautet dein Name?«
»Nihal.«
»Aus welchem Land kommst du?«
»Aus dem Land des Windes.«
»Welche ritterlichen Ziele willst du verfolgen?«
»Ich will mit all meinen Kräften für die freien Länder kämpfen und mein Leben einsetzen für ihre Freiheit und Ihre Majestät, die Königin.«
»Nimm den Helm ab.«
Nihal gehorchte, und unter dem Helm kamen ein zerzauster blauer Haarschopf und ein freundliches Mädchengesicht hervor.
Die Anwesenden brauchten einige Augenblicke, um dieses Bild zu begreifen, doch die Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten. Das Raunen war so laut, dass Raven mit einem strengen Blick für Ruhe sorgen musste.
Dann hob der General ihr Schwert auf: »Reich mir deinen rechten Arm, Ritter.« Nihal legte einen Handschuh ab und entblößte die helle Haut.
Raven fuhr mit dem Schwert darüber, und aus dem Schnitt begann langsam das Blut zu rinnen. »Schwöre bei deinem Leben und bei deinem Blute.«
Nihal hob den Arm, damit alle den roten Strich sehen konnten, und sprach dann mit lauter, fester Stimme. »Ich schwöre, mein Leben der Sache des Friedens zu weihen. Ich schwöre, mein Schwert in den Dienst der Gerechtigkeit zu stellen. Ich schwöre, die freien Länder bis in den Tod zu verteidigen. Auf dass das Blut in meinen Adern eher trockne und mein Lebensfaden eher reiße, als dass ich diesen Schwur breche.«
Raven senkte das Schwert auf Nihals Haupt.
»Nihal aus der Turmstadt Salazar, heute hast du deinen Schwur im Angesicht der Götter und der Menschen geleistet. Dein Fleisch und dein Blut gehören nun für immer dem Orden. Hiermit ernenne ich dich zum Drachenritter und Diener der freien Länder.«
Ein lauter Hochruf wie aus einem Munde erschallte aus der Reihe der Drachenritter, die der Zeremonie beiwohnten, und besiegelte die Aufnahme Nihals in den Orden.
Raven gab ihr das Schwert zurück, und Nihal durfte aufstehen. Nach einer Verneigung vor der Königin drehte sie sich zu der Menge um und hob ihre schwarze Waffe.
Ein Beifallssturm brach los, und Nihal fühlte sich wie eine Siegerin.
Als Erster war Ido bei ihr, drückte sie an sich und schaute sie lange wortlos an. Doch bald schon hatte sich eine unübersehbar Schar von Gratulanten um sie versammelt, bekannten und unbekannten, die sie fast erdrückten.
Im Innenhof der Akademie, wo solche Aufnahmen in den Ritterstand traditionell gefeiert wurden, fand die Zeremonie ihre Fortsetzung. Während seine Schülerin im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stand, umringt von affektierten Höflingen, pomadigen Würdenträgern und Rittern, die Glückwünsche, Ratschläge und Schulterklopfen verteilten, stand Ido abseits von dem Trubel unter einer Arkade. Distanziert und mit einem leichten Widerwillen beobachtete er die Feierlichkeiten: Zu gut wusste er, wie viel Heuchelei in all den Komplimenten und Respektsbekundungen steckte. Unter all den Leuten im Hof war niemand, der sich nicht fragte, was eine Frau in der Armee zu suchen hatte, oder ihren Dienst dort von vorneherein für unschicklich hielt. Ido konnte es nicht erwarten, endlich in das Hauptlager zurückzukehren, um dort in Ruhe sein Pfeifchen zu schmauchen. Da unterbrach eine Stimme den Strom seiner Gedanken.
»Du glaubst doch nicht im Ernst, dass mich deine Geste vorhin getroffen hat.« Ido drehte sich um. Da stand Raven in seiner lächerlichen Uniform und grinste höhnisch. »Ach, der General. Auch in der Gegend?«, erwiderte der Gnom spöttisch, griff sich das erstbeste Glas in seiner Reichweite und stürzte den Inhalt in einem Zug hinunter. »Auch als ich noch jung und gefügig war, hab ich nie vor dir im
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