Die Drachenkämpferin 02 - Der Auftrag des Magiers
wollte nicht weichen.
Schließlich war es so weit, dass Nihal nach über einem Jahr die Steppe im Land des Windes wiedersah. Es war ein mulmiges Gefühl, dieses Land zu betreten, denn hier hatte sie alle ihre Liebsten verloren, doch gleichzeitig spürte sie, dass sie damit einen wichtigen Schritt tat. Auch wenn sie fürchtete, die Vergangenheit könne sie wieder einholen, so wusste sie andererseits doch, dass sie diese Prüfung bestehen musste, um endgültig einen Schlussstrich unter diesen Lebensabschnitt ziehen zu können.
Das Lager, zu dem sie abkommandiert waren, lag nicht weit hinter der Grenze unweit einer zerstörten Turmstadt und war ein Ort, an dem die Menschen sich widerspruchslos in ihr Schicksal fügten. Ganna, der dort im Auftrag des Rats der Magier seinen Dienst tat, war noch ein ganz junger Bursche, was an sich kein Problem gewesen wäre, denn schließlich hatte auch Sennar in diesem Alter schon eine solche Verantwortung getragen. Doch dieser junge Mann verstand nur wenig von Taktik und Strategien und war darüber hinaus furchtbar unsicher. Während der Beratungen schwieg er, sprach nur, wenn es unbedingt sein musste, und zeigte sich unfähig, auch nur einen guten Einfall zu entwickeln. Kurzum, es war eine Qual.
Ido und Nihal wurden nicht gerade mit offenen Armen empfangen: Eine Frau und ein Gnom - das war nicht gerade das, was sich die dort stationierten Ritter als Verstärkung erhofft hatten. Auch der Lagerkommandant betrachtete sie mit Misstrauen und ignorierte sie bei wichtigen Entscheidungen. Er wirkte wie ein Mann, der in seinem Leben schon zu viel Unheil gesehen hatte. Noch nicht sehr alt, schlank und von athletischem Körperbau, war sein Gesicht von zahlreichen Falten durchzogen, sein Rücken stets gebeugt, sein Blick grau und glanzlos. Ein Mann, den der Krieg und das ewige Blutvergießen gebrochen hatte. Sein Name war Mavern. Nihal nahm sich seine Ablehnung nicht sehr zu Herzen. Schließlich erlebte sie so etwas nicht zum ersten Mal. Und zudem wusste sie, dass ihr Schwert, wenn es darauf ankam, mehr wert war als tausend Beratungen.
Ido wirkte niedergeschlagen, aber Nihal hatte nicht den Eindruck, dass dies mit dem kühlen Verhalten der anderen Ritter zusammenhing. Nur selten verließ er sein Zelt und zeigte sich schweigsam und nachdenklich.
Wer hingegen bald schon die Sympathien der ganzen Lagerbesatzung genoss, war Laio. Schon zu Beginn nahmen ihn die Ritter unter ihre Fittiche, scherzten mit ihm und ließen sich gerne von ihm zur Hand gehen, sodass er bald praktisch der Knappe der gesamten Ritterschar war. Aber wie hätte man ihn auch nicht ins Herz schließen können? Tadellos erledigte er, was man ihm auftrug, war stets hilfsbereit und sprühte dabei noch vor guter Laune: Ja, Laio war so etwas wie ein Sonnenstrahl im Dunkel des Kriegsalltags.
Nihal, die zum ersten Mal, seit sie Kriegerin war, ein eigenes Zelt hatte, gewöhnte sich rasch an das andere Leben in dem neuen Lager, vor allem daran, dass es nun neben dem Kampf kaum noch etwas anderes gab. Früher waren manchmal Wochen vergangen, ohne dass sie den Feind gesehen hatte, während die Krieger in dem neuen Lager zwischen den Einsätzen kaum zum Luftholen kamen.
In dem ganzen Gebiet wimmelte es von Kundschaftern, feindliche Überfälle waren an der Tagesordnung, und wenn sie sich keiner Angriffe zu erwehren hatten, eilten sie anderen Lagern in der Nähe zu Hilfe.
Schon in der ersten Schlacht, dem Angriff auf eine besetzte Turmstadt, zeigte Nihal, was sie wert war. Den Befehl, sich in der zweiten Angriffsreihe einzuordnen, missachtete sie und stürzte sich an Idos Seite mit den anderen Drachenrittern ins Getümmel. Die beiden waren es gewohnt, gemeinsam ins Feld zu ziehen, kämpften effektiv und reibungslos wie ein gut geöltes Gerät und trugen so nicht unwesentlich dazu bei, dass die Turmstadt schnell und ohne große Verluste genommen werden konnte.
Dennoch gelang es Nihal nicht, einer feierlichen Strafpredigt aus dem Weg zu gehen. Früher einmal hätte sie mit Feuereifer ihre Eigenmächtigkeit verteidigt, doch diesmal ließ sie alle Vorhaltungen schweigend und gleichmütig über sich ergehen.
»Ihr habt recht, es war ein Fehler von mir. Aber immerhin ist der Turm jetzt in unserer Hand, oder täusche ich mich?«, sagte sie, als Mavern geendet hatte, und schaute ihm dabei fest in die Augen. Durch dieses Bravourstück stieg Nihals und Idos Ansehen bei den anderen Rittern, und es dauerte nicht lange, bis man die beiden als
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