Die Drachenkämpferin 03 - Der Talisman der Macht
rief der Knappe vergnügt, während er auf die Wolken deutete, die das Tal verhüllten.
Nihal und Sennar aber begannen, sich Sorgen zu machen. Die Gipfel waren einfach zu hoch. Es würde ihnen niemals gelingen, das ganze Gebirge zu überblicken und so die gesuchte Hochebene zu finden. Daher blieb ihnen nichts weiter übrig, als erneut den Talisman zu befragen. Nihal konzentrierte sich, und obwohl sie wieder nur den blendenden Glanz des Heiligtums sah, spürte sie vage, dass sie sich weiter östlich halten mussten, um genau in der Mitte des Gebirges das zu finden, wonach sie suchten. Weitere zwei Tage flogen sie durch dieses gleißende Licht, bis am Morgen des dritten Tages das Ziel plötzlich vor ihnen lag. Fassungslos starrten sie es an und fragten sich stumm, wie es um alles in der Welt mitten im Winter und auf dieser unermesslichen Höhe solch einen Ort geben konnte.
7. Glael oder Von der Einsamkeit
Nihal, Sennar und Laio bestaunten ungläubig das weite Grün, das sich vor dem Graubraun der Berge abzeichnete. Sie sahen, wie die Sonne eine Ebene voller bunter Blumen erstrahlen ließ, die so stark dufteten, dass ihr Wohlgeruch bis zu ihnen drang. Sprachlos schwebten sie auf diese Ebene nieder, stiegen ab und wunderten sich über das angenehm milde Klima. In diesem verlassensten Winkel der Erde herrschte bereits Frühling. Es war früher Morgen, und die rosafarbenen Sonnenstrahlen legten sich auf unzählige prächtige Blütenblätter auf einer Wiese, die glänzte von Tau. Es schien eine eigene Welt zu sein, isoliert und allem entrückt.
Laio warf sogleich seinen Umhang von sich und wälzte sich lachend im Gras zwischen den Blumen. »Dies ist wirklich die Wohnstatt der Götter!«, rief er.
Die Ebene war nicht sehr groß, und als sie sich dem Rand der Wiese näherten, stellte Nihal fest, dass von dort oben weite Teile des Landes der Sonne und einige Zipfel anderer Länder zu sehen waren. Sie erblickte Makrat als helles Pünktchen, nicht weit entfernt vom Großen Nebenfluss, und dann den Kleinen Nebenfluss, seinen jüngeren Bruder, und den Hantir-See, der silbrig im ersten Licht des Tages glänzte. Sie erkannte sogar den Wald in der Nähe des Hauptlagers, wo sie lange gedient hatte, und meinte gar das Hauptlager selbst zu erkennen. Von dort oben war vielleicht auch die Gegend auszumachen, in der das Dorf von Eleusi und Jona lag. Dann schweifte ihr Blick noch weiter, und ihr Herz verlangsamte seine Schläge.
Zur anderen Seite, dort, wo die dichten Wälder des Landes der Sonne einer Wüste Platz machten, lag das Heimatland ihres Volkes, das Land der Tage mit all dem, was von den Halbelfen übrig geblieben sein mochte.
»Schau mal da hinten«, rief Laio, »siehst du den schwarzen Punkt dort im Süden?« »Was ist das?«, fragte Sennar, der zu ihnen getreten war und ebenfalls das Panorama bestaunte.
»Das müsste das Land der Nacht sein«, erklärte der Knappe. »Ich habe nicht so lange dort gelebt und kenne es nicht sehr gut, aber es ist meine Heimat ...«
»Wir müssen jetzt mal das Heiligtum suchen«, warf Nihal ein.
»Da müssen wir gar nicht erst lange suchen«, entgegnete Laio, während er sich umdrehte und die Hand ausstreckte.
Nihal blickte in die angegebene Richtung und sah ein riesengroßes Gebäude, das sich an einem Rand der Ebene erhob. Es war prachtvoll und schien ganz aus Gold zu sein. Die Halbelfe fragte sich, wieso es ihr nicht schon vorher aufgefallen war. Der zentrale Bau war rund und niedrig, darüber aber wölbte sich eine mächtige goldene, zwiebelförmige Kuppel, auf deren Spitze eine Kugel prangte: eine Art Sonne, ebenfalls aus Gold. An den Seiten standen weitere Gebäude, niedriger und mit ähnlichen Kuppeln ausgestattet. Das ganze Bauwerk war überreich verziert mit Türmchen und Spitzbögen und erstrahlte in einem blendend hellen Licht.
Nihal zog ihr Schwert, und während sie die Augen mit einem Arm gegen die gleißende Helligkeit abschirmte, ging sie auf das Gebäude zu.
»Wer weiß, welche Wunder uns dort drinnen noch erwarten«, rief Laio und machte Anstalten, auf den Palast zuzulaufen.
»Warte!« Nihal hielt ihn am Arm zurück. »In solch einem Heiligtum gibt es Wächter, und die sehen es nicht gern, wenn Menschen die Schwelle überschreiten. Am besten wartet ihr beide, du und Sennar, hier.«
»Kommt nicht infrage!«, protestierte Laio und entwand sich ihrem Griff. »Wozu sind wir denn sonst überhaupt mitgekommen? Wir müssen dir doch beistehen, sollte es einen Kampf geben oder
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