Die Drachenkämpferin 03 - Der Talisman der Macht
so eine Floskel...
»Darum habe ich dich nie gebeten.«
»Ich bin wirklich kein unnötiges Risiko eingegangen, ich schwöre es dir. Ich habe alle Vorkehrungen getroffen ... Ich bin ja nicht tollkühn, das weißt du.«
»Hör auf, mich anzulügen!«, schrie Nihal. »Dieses ganze Ammenmärchen von einem Zauber, der die Kräfte des Talismans versiegeln kann ... Und Megisto hast du auch noch mit hineingezogen.«
»Was hätte ich denn sonst tun sollen? Dir ging es schlecht, aber du wolltest dir ja keine Pause gönnen. Ich hatte einfach keine andere Wahl.« Sennar begann langsam die Geduld zu verlieren.
»Warum bist du bloß so vernagelt?!« Nihal sprang auf. »Stell dir doch mal vor, wie ich mich gefühlt hätte, wenn du gestorben wärest! Hast du denn wirklich keine blasse Ahnung?«
Sennar starrte sie nur mit offenem Mund an, der Ärger, den er gerade noch verspürt hatte, war ihm im Hals stecken geblieben.
Nihal drehte sich um. »Ich will nicht noch mehr Tote auf dem Gewissen haben!« Das war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Sennar hätte nicht genau sagen können, was er sich von Nihal bei seiner Rückkehr erwartete hätte. Vielleicht ein Dankeschön, sicher aber nicht solch kühle, feindselige Worte. »Keine Angst, es lag mir fern, dein Gewissen noch weiter zu belasten. Ich glaubte, dir helfen zu können, aber offenbar hältst du mich weiterhin nur für eine Last. Aber du kannst ganz beruhigt sein: Ich habe es gar nicht eilig zu sterben -ganz im Gegensatz zu dir.«
Die Ohrfeige, die Nihal ihm verpasste, schallte durch die Stille des Waldes. Der Magier wich nicht zurück, blickte nur verdutzt auf Nihal, die Mühe hatte, die Tränen zurückzuhalten. Erst jetzt wurde ihm die Tragweite seiner Worte so richtig bewusst. Aber er kam nicht dazu, sich zu entschuldigen, denn sie drehte sich von ihm weg und legte sich zum Schlafen nieder.
Gleich am folgenden Morgen, während ihre Kameraden noch schliefen, machte sich Nihal daran, den Talisman zu befragen. Nach der Auseinandersetzung mit Sennar hatte sie stundenlang wach gelegen.
Sie schloss die Augen und sah etwas extrem Helles vor sich, das wie tausend Sonnen strahlte. Das musste das Heiligtum sein. Dann erblickte sie eine Morgendämmerung, die Sonne, die hinter einem Gebirge aufging. Ihr kam es so vor, als betrachte sie dieses Panorama von einem Dach aus, einer weiten, von hohen Gipfeln gesäumten Fläche. Eine Hochebene also. Schließlich eine Richtung: nach Osten. Sie öffnete die Augen wieder.
Kurz darauf nahmen sie in aller Eile etwas zu sich und flogen dann los, unterwegs zu dem letzten Ziel ihrer Mission, das nicht im Feindesland lag. Danach würde es richtig schwierig werden.
Nach sechs Tagen erreichten sie Makrat. Laio hatte darauf gedrungen, in der Hauptstadt des Landes der Sonne Station zu machen und in der Akademie vorbeizuschauen, in der er und Nihal sich kennengelernt hatten. Der Gedanke an ein frisch gemachtes, sauberes Bett, um einmal richtig auszuschlafen, lockte alle drei. Und so suchten sie sich ein Gasthaus etwas außerhalb und beschlossen, dort eine Nacht zu bleiben.
Als die Sonne unterging, machte sich Nihal auf zu einem Streifzug durch die Stadt. Sie tauchte ein in das Gewirr von Makrat, an dem sich seit ihrer Zeit in der Akademie kaum etwas verändert hatte. Geschäftige Menschen wimmelten wie eh und je durch die Straßen, und gleich vor den Toren hatten unzählige Flüchtlinge ihre Lager aufgeschlagen, ein Wald von Zelten erstreckte sich längs der äußeren Stadtmauer. Das war es, was Nihal an dieser Stadt abstieß, Pracht und Reichtum gleich neben der bittersten Armut, diese dreist zur Schau getragene Fröhlichkeit, das Glitzern der Juwelen der Damen, die durch die Straßen promenierten. Es war ein Ort dünkelhafter Unwissenheit, ein Ort, der das Leid einfach verdrängte, während sie selbst sich innerhalb dieser Stadtmauern immer traurig gefühlt hatte.
Sie gelangte in die Nähe der Akademie, ging aber nicht bis vor das Tor, um nicht Gefahr zu laufen, dem Obersten General Raven, der ihr immer Steine in den Weg gelegt hatte, zu begegnen. Der Anblick dieses trutzigen Gebäudes war indes nicht so unerträglich, wie sie befürchtet hatte. Fast hoffte sie, ihren Fechtlehrer Parsel wiederzusehen, jenen Mann, der dort als Erster ihre Fähigkeiten erkannt hatte, oder auch Malerba, jenen verwachsenen Gnom, mit dem sie damals vieles geteilt hatte.
Schließlich trugen die Füße sie zu dem Platz vor der Brüstung, von dem aus
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