Die Drachenkrone ("Drachenkronen"-Trilogie) (German Edition)
schwieg einige Augenblicke. Verstohlen beobachtete Rolana sie unter ihren langen Wimpern. Sie sah, wie sie sich von der geschundenen und gedemütigten Frau zur Gräfin und Herrin von Theron wandelte, fest entschlossen, die Last und die Verantwortung zu tragen. Erwartungsvoll waren alle Augen auf sie gerichtet, als sie endlich zu sprechen begann.
»Ich habe mich entschlossen, das Erbe des Grafen anzutreten. Mir ist wohl bewusst, dass dies gegen das geltende Recht verstößt. Unser Sohn wäre der Erbe, wenn er noch am Leben wäre …« Sie verstummte, und ein schmerzvoller Zug legte sich um ihren Mund, doch dann fuhr sie mit fester Stimme fort. »Ich kann und will niemanden zwingen, für mich zu arbeiten. Ihr könnt frei entscheiden, ob ihr einer Frau dienen wollt. Wenn ihr euch jedoch zu bleiben entschließt, dann verlange ich die gleiche Treue und den Gehorsam, den ihr auch dem Grafen entgegengebracht habt. Ihr dürft eure Meinung äußern, doch ihr müsst meine Anweisungen entgegennehmen. Überlegt gut, bevor ihr euch entscheidet.« Sie sah in die Runde und sprach dann weiter:
»Ich möchte Theron wieder aufbauen, dazu muss ich mir einen Überblick über die Verhältnisse schaffen, Männer müssen angeworben werden. Doch zuerst muss ich wissen, wie ihr dazu steht.«
Cordon stand auf und trat zu ihr. Schwerfällig kniete er nieder und küsste der jungen Gräfin die Hand. »Meine Familie und ich werden Euch dienen bis zu unserem Tod.« Nach und nach erhoben sich auch die anderen Burgleute und leisteten ihr den Treueschwur. Der Gräfin standen Tränen in den Augen. »Ich danke euch allen«, sagte sie bewegt. Auch Vlaros stand auf und kam zu ihr, um ihr Treue zu schwören. In seinen Augen brannte eine heiße Glut, als er sie anblickte. »Ich habe eine Aufgabe gefunden und werde Euren Hofmagier unterstützen«, sagte er respektvoll.
Lamina sah zu den Gefährten hinüber. »Ich hoffe, ihr bleibt noch eine Weile auf Theron, liebe Freunde«, sagte sie.
Thunin, der zu ihrer Rechten saß, griff nach ihrer Hand. »Solange wir hier sind, werden wir dich mit all unseren Kräften unterstützen, doch auch wenn wir weiterziehen, hast du nun ein paar Freunde mehr in dieser Welt.«
Lamina legte ihre weiße, schlanke Hand auf die große, raue des Zwergs. »Es wird mir immer Hoffnung und Trost sein, auch wenn ihr wieder durch die Lande zieht. Denkt daran, ihr werdet auf Theron immer einen Ort haben, an dem ihr Schutz und Ruhe finden könnt.«
Dann wandte sie sich wieder den Burgleuten zu. »Cordon, ich möchte, dass du mein Verwalter wirst.«
Der Gärtner schüttelte den Kopf. »Ich bin zu alt, Gräfin.
Ich habe dem Vater Eures Gatten viele Jahre gedient, doch jetzt ist meine Zeit vorüber.«
»Ich brauche dich aber. Zu dir habe ich Vertrauen. Bitte übernimm diese schwere Last, bis ich einen anderen gefunden habe. Dann magst du dich wieder in deine Gärten zurückziehen.«
Cordon neigte den Kopf. »So sei es.«
»Berlon und Thomas«, wandte sie sich an zwei der Wächter. »Ihr müsst nach Fenon gehen und Männer anheuern, die helfen, den Ostflügel aufzubauen. Sie können später als Knechte oder Wachen bleiben. Wenn Sie eine Familie mitbringen, umso besser. Griphilda und Veronique brauchen Hilfe. Auch ein Koch oder eine Köchin muss gefunden werden, um Irenda in der Küche zu unterstützen. Und dann müsst ihr den alten Advokaten aufsuchen. Bringt ihn nach Theron.«
Als die anderen sich erhoben hatten, bat die Gräfin Lahryn, ihr die geheime Schatzkammer hinter dem Gemach des Grafen zu öffnen. Der Magier nickte. Er wusste, dass das Geld und die Burg eigentlich dem Vetter des Grafen zustanden, doch er war bereit, für die Gräfin zu kämpfen.
Eine Gestalt schritt über die zinnenbewehrte Mauer. Der Wind führ in den schwarzen Wollumhang, als sie den Schutz des Turmes hinter sich ließ. Langsam ging sie die Ostmauer entlang und blieb dann stehen, den Blick in weite Ferne gerichtet. Unter ihr lag der im silbernen Mondlicht glitzernde See.
Plötzlich hörte sie ein Geräusch hinter sich. Rolana fuhr herum und griff an ihren Gürtel, so als suche sie nach einem Messer. Dann erst fiel ihr wieder ein, wo sie war, und ihre Hand sank herab. Hier waren die Gefährten unter Freunden. Hier konnten sie ruhig schlafen – und doch fand Rolana keine Ruhe.
Ein Mann näherte sich ihr langsam über den steinernen Wehrgang. Erst dachte sie, er sei einer der Wächter, dann erkannte sie Cay. Er stellte sich neben sie, sah über den See
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