Die Drachenkrone ("Drachenkronen"-Trilogie) (German Edition)
und schwieg. Endlich brach er die Stille.
»Was tust du hier im kalten Wind, statt unter den herrlichen Daunendecken zu ruhen?«, fragte er.
Rolana schauderte, aber es war nicht der Wind, der ihre Nackenhaare sich sträuben ließ. Sollte sie ihm von ihren Ahnungen und Ängsten erzählen? Noch wusste sie selbst nicht, was dies zu bedeuten hatte. War es nur ein Nachklang des Erlebten? Sie schwieg. Cay trat näher. Es war ihr, als könne sie seine Wärme spüren. Dann legte er die Hände auf ihre Schultern und drehte sie zu sich.
»Du hast dich in den vergangenen Tagen von mir fern gehalten«, sagte er leise. »Was habe ich getan?«, fragte er, und sie fühlte seinen Schmerz. »Habe ich etwas falsch gemacht?«
Rolana schüttelte den Kopf. Wie sollte sie ihm ihre Zerrissenheit erklären? Sie sehnte sich nach seinen Armen, verlangte nach seinen Händen und Lippen, nach dem Gefühl, das damals am See in solch herrlicher Lust durch ihre Adern pulsiert war, und doch, wie konnte sie sich ihm hingeben?
Cay legte seine Arme um sie und zog sie zu sich. »Ich weiß nicht, was es ist, das dich so quält, doch willst du deine schweren Gedanken nicht wenigstens für ein paar Stunden ablegen?«
Ja!, schrie ein Teil von ihr und wollte sich an diese Brustschmiegen, aber kein Laut kam über ihre Lippen. Eine Träne glänzte in den tiefschwarzen Augen und zog dann eine schimmernde Bahn aus Mondlicht über ihre Wange. Cay beugte sich vor und küsste den salzigen Tropfen von ihrer weichen Haut. Sie sah zu ihm auf und ließ es geschehen, dass seine Lippen die ihren berührten. Der schmerzende Druck in ihrer Kehle löste sich, und sie schlang die Arme um ihn, als sei sie am Ertrinken. Lange Zeit standen sie dort oben im Nachtwind auf den Zinnen und hielten sich eng umschlungen, dann gingen sie langsam zum Palas zurück.
Das Drachenamulett um Rolanas Hals begann zu pulsieren und glühte in dunklem Rot. In ihren Träumen wanderte Rolana durch endlose Gänge, bis sie eine weit gespannte Höhle erreichte. Peramina? Ihre Stimme hallte von den Wänden wider. Sie fand den Drachen in tiefer Ohnmacht. Furchtlos trat sie zu ihm und streichelte seine glänzenden Schuppen.
Hilf mir!, erklang sein stummer Schrei in ihren Ohren. Rolana legte die Hände auf seine geschlossenen Augen und versuchte in sein Bewusstsein vorzudringen, um das prächtige Wesen aus seiner Ohnmacht zu befreien, doch sie spürte nur, wie seine Lebensenergie verrann.
»Peramina, du darfst nicht sterben!«, rief sie. Tränen liefen über ihre Wangen, tropften auf die kupfernen Schuppen, rannen herab und zogen blutrote Bahnen hinter sich her. Der Glanz des Drachenleibs verlosch.
Schon am frühen Morgen brachen der Wächter Thomas, einer der Stalljungen, Cordon und Griphilda nach Fenonauf. Lamina gab ihnen Gold mit, um Männer und Frauen zu suchen, die auf der Burg leben und arbeiten wollten. Dann besichtigte sie zusammen mit Lahryn das Haus und die noch zugänglichen Keller. Thunin, der ebenfalls schon früh auf den Beinen war, bot sich an, die Befestigungsanlagen in Augenschein zu nehmen, um zu sehen, wo Ausbesserungsarbeiten am dringlichsten waren. Auch die anderen waren nicht müßig. Vlaros und Rolana sahen alte Verträge und Urkunden durch, um der Gräfin eine Liste der Abgaben zu schreiben, die sie von ihren Pächtern erwarten konnte; Ibis, Seradir und Cay gingen auf die Jagd, um die Vorratskammer zu füllen.
Der Tag war schon fast vorüber, als die Gräfin endlich Gelegenheit hatte, nach ihren Gästen zu sehen. Sie fand sie im Burghof. Thunin focht mit Seradir, Rolana saß mit Lahryn in der Abendsonne auf der Treppe, und Ibis und Cay übten Messerwerfen. Nur Vlaros war nirgends zu sehen.
Lamina setzte sich zu ihrem Hofmagier und der Priesterin auf die Treppe und sah zu Ibis und Cay hinüber. Die Elbe jauchzte jedes Mal schadenfroh, wenn Cays Messer wieder einmal an dem Baumstamm, den er zu treffen versuchte, mehrere Handbreit vorbeiflog. Ibis jedoch schleuderte ihre Wurfdolche auf einen Fingerbreit genau.
»Du solltest dir als Ziel nichts suchen, das kleiner ist als ein Drache«, kicherte die Elbe, »dann kannst nicht einmal du vorbeiwerfen.«
Die Gräfin erhob sich, strich ihr einfaches Gewand glatt und schlenderte zu Ibis und Cay hinüber.
»Darf ich einmal?« Sie streckte die Hand nach dem Dolch aus, den Cay gerade aus dem Gemüsebeet zurückgeholt hatte. Widerstrebend legte er den abgewetzten Griff in die zierliche weiße Hand.
»Verletz dich nicht«, sagte
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