Die Drachenkrone ("Drachenkronen"-Trilogie) (German Edition)
ein Begrüßungslied an. Fröstelnd zog sich Rolana den Umhang enger um die Schultern.
»Das gefällt mir nicht«, brummte Thunin, »das gefällt mir gar nicht.«
In einiger Entfernung, im Schutz der Bäume, banden sie ihre Pferde an, ließen ihnen jedoch so lange Leinen, dass sie grasen konnten. Thunin nahm seine Axt vom Gürtel, und auch Cay und Ibis zogen ihre Waffen. Vorsichtig näherten sich die Gefährten der Zugbrücke. Das Holz knarrte unter ihren Schritten, doch noch immer regte sich nichts. Nicht einmal ein Lufthauch war zu spüren. Zwei steinerne Wächter starrten die Ankömmlinge aus blinden Augen an. Vlaros blieb zurück und untersuchte die Figuren. Behutsam legte er die Handflächen auf den kühlen glatten Stein und schloss die Augen. Er öffnete seine Sinne für die Schwingungen um ihn herum. Mit einem Schaudern spürte er die Magie, mächtige schwarze Magie.
Auch im Hof war es totenstill. Ein düsterer Schatten, der nichts Lebendes zu tolerieren schien, lag über der Burg. Hier drinnen entdeckten sie noch mehr der merkwürdigen Statuen aus dem gleichen, fast weißen, glatten Stein wie die beiden Wächter am Tor: In einem Blumenbeet stand ein alter Mann mit einer Hacke, drüben auf der großen Treppe, die zum Bergfried führte, saß eine Frau mit einem kleinen Jungen in den Armen. Cay blieb bewundernd vor der Figur eines jungen Mädchens stehen. Sie sah so lebendig aus. Ihr langes Haar war zu lockeren Zöpfen geflochten, und sanft wölbten sich die Brüste über dem eng anliegenden Mieder,unter dem sich ein weiter Rock bauschte. Vorsichtig strich Cay mit der Hand über die glatte Wange.
»Nicht berühren!«, zischte Vlaros scharf. »Das sind Menschen, die durch einen mächtigen Zauber in Stein verwandelt wurden.«
Die Elbe trat heran und betrachtete die Versteinerten.
»Wir wissen doch, wie überspannt junge Frauen manches Mal sind«, flötete sie und versuchte die Miene des Kaufmanns zu imitieren. »Das stellt der sich also unter einem harmlosen Auftrag vor!«
Rolana stemmte die Hände in die Hüften und schüttelte langsam den Kopf. »Dann hat mich meine Ahnung also nicht getäuscht.«
Die Freunde sahen sich an. Auf Thunins Gesicht lag ein grimmiger Ausdruck.
»Seid wachsam«, sagte er ernst und stieg dann die Treppe zum Palast hinauf, doch so sehr er sich auch abmühte, das Tor ließ sich nicht öffnen. Schließlich gab er auf. Mit den anderen Türen ging es ihm nicht besser. Rolana trat an ein niederes Fenster heran und versuchte den hölzernen Laden zu öffnen. Es ging nicht. Sie konnte nicht einmal das Holz mit ihren Fingerspitzen berühren, denn etwas Unsichtbares hielt sie fest. Beunruhigt runzelte sie die Stirn und winkte dann Vlaros heran. Wieder schloss der Magier die Augen und versuchte das magische Feld zu erspüren.
»Ein mächtiger Bannkreis ist um die Burg gezogen worden«, sagte er. Seine Stimme zitterte. »Das übersteigt bei weitem meine Kräfte. Vielleicht sollten wir nach Fenon zurückreiten und der Gräfin empfehlen, sich an die Magiergilde zu wenden.«
Thunin und Cay, die zu ihnen getreten waren, schüttelten die Köpfe, und auch Rolana wollte von dem Vorschlag nichts wissen. Vlaros öffnete gerade den Mund, um den Freunden die Aussichtslosigkeit ihrer Lage begreiflich zu machen, als Ibis, die am Brunnen Wasser schöpfte, einen Schrei ausstieß. Die Gefährten eilten zu ihr, jedoch bevor sie die Elbe erreichten, hatte sich Ibis über den Brunnenrand geschwungen und war in der Tiefe verschwunden. Rolana biss sich nervös auf die Finger, doch Thunin legte ihr beruhigend die Hand auf den Arm.
»Keine Angst, sie ist vielleicht ein Nichtsnutz, aber klettern kann sie wie keine andere.«
Die Freunde mussten nicht lange warten, da tauchte die Elbe wieder auf und schwang sich über den steinernen Rand. Ihre Augen glänzten vor Abenteuerlust.
»In der Brunnenwand ist eine geheime Tür, und sie ist nicht verschlossen. Los, kommt!« Sie war im Begriff, wieder in der Tiefe zu verschwinden, doch Rolana packte sie am Arm.
»Warte, wir sind nicht so geschickt wie du. Das ist viel zu gefährlich.« Sie sah zu Thunin hinüber, der bereits seinen Rucksack abgestreift hatte und ein stabiles Seil hervorzog.
Vlaros taumelte ein paar Schritte zurück. »Ihr wollt doch nicht etwa in diesen finsteren, schmutzigen Brunnen hinabsteigen?«, keuchte er entsetzt.
»Warum denn nicht?«, antwortete Cay und schwang sich auf die Brüstung. Auch ihn hatte die Erregung gepackt. »Wenn das der
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