Die Drachenkrone ("Drachenkronen"-Trilogie) (German Edition)
einzige Weg ist, der in die Burg führt?«
Vlaros holte tief Luft, um seine Empörung kundzutun. Rolana unterbrach ihn.
»Wir können die Gräfin nicht im Stich lassen«, sagte sie nur und sah Vlaros ernst an. Sie setzte sich auf den Brunnenrand und griff nach dem Seil, das Thunin an einem nahen Baum befestigt hatte. Ihr Herz klopfte, und ein flaues Gefühl machte sich in ihrem Magen breit. Sie vermied es, in den schwarzen Schlund zu blicken, der sich bodenlos unter ihr auftat. Wann war sie jemals an einem Seil heruntergeklettert? Sie konnte sich nicht erinnern. Die rosige Farbe wich aus ihren Wangen. Energisch umklammerte sie das raue Seil und holte tief Luft, doch der Zwerg nahm ihr das Tau wieder aus der Hand.
»Ich klettere zuerst hinunter, dann kommst du, dann Cay und Vlaros. Ibis wird das Seil losknoten und mit hinunterbringen.« Er tätschelte Rolanas kalte Hand. »Nur Mut. Du kannst dich an den Knoten festhalten, und ich ziehe dich dann zu der Öffnung hinüber.«
Rolana nickte zweifelnd, aber der Zwerg war schon in der Dunkelheit verschwunden. Vlaros legte murrend seinen bestickten Umhang ab und verstaute ihn in seinem Rucksack. Die junge Frau wandte ihren Blick wieder in die Tiefe. Thunin hatte die Tür erreicht und winkte ihr, ihm zu folgen. Rolana biss die Zähne zusammen und ließ sich vom Brunnenrand gleiten. Stück für Stück rutschte sie an dem Seil herab, und schon zog sie der Zwerg in die geheime Kammer hinter der Brunnenwand. Er lächelte ihr aufmunternd zu, ehe er Cay zu sich herunterrief. Der stand so schnell neben den beiden in der Kammer, dass Rolana verwundert blinzelte. Auch Vlaros schaffte den Abstieg, wenn auch auf seinem Gesicht noch immer ein mürrischer Ausdruck lag. Wie besprochen löste Ibis das Seil und brachte es dann mithinunter in das steinerne Gelass. Thunin, der wie die Elben die natürliche Gabe hatte, auch bei Dunkelheit noch gut zu sehen, blickte sich neugierig um.
»Das riecht geradezu nach einer Falle«, brummte er missmutig und löste vorsichtshalber seine Axt vom Gürtel.
Er lugte durch die bogenartige Öffnung in der Wand, die auf einen steinernen Gang hinausführte, doch Ibis drängte ihn zur Seite.
»Ich gehe mal nachsehen, ob die Luft rein ist.« Und schon war sie verschwunden. Ungeduldig warteten die Freunde auf ihre Rückkehr. Endlich tauchte sie wieder auf und winkte den anderen, ihr zu folgen. Rolana entzündete den Docht der Laterne, die Thunin ihr gegeben hatte. Sie war nur auf der einen Seite offen, so dass man selbst nicht geblendet wurde und dem Gegner kein leichtes Ziel bot. Eine Klappe auf der Vorderseite ermöglichte es, bei Gefahr das Licht blitzschnell abzudecken.
Dicht gedrängt folgten die Gefährten einem Gang, an der Spitze Thunin und Cay, die Waffen kampfbereit in den Händen. Eine Treppe führte nach oben und mündete dann in einen langen Korridor. Immer wieder tauchten rechts und links Türen in den gemauerten Wänden auf. Ibis legte erst lauschend ihr spitzes Ohr an das Holz, dann erst drückte sie die Klinke herunter. Sie sahen in eine riesige Küche, die Kessel und Töpfe hingen fein säuberlich an einer Stange an der Wand. Dann öffneten sie die Tür zum Speiseraum des Gesindes mit einem rohen Tisch und zwei Dutzend Hockern. In einer Kammer lagerten Säcke und Kisten, doch nirgends war auch nur eine Menschenseele zu entdecken.
Wieder stiegen sie eine Treppe hinauf. Der Boden war nun mit grünem Marmor belegt. Flauschige Teppiche hingen an den Wänden. Von irgendwoher schimmerte Tageslicht. Rolana löschte die Lampe und folgte den anderen in den nächsten Raum. Sie hörte, wie Vlaros scharf die Luft einsog und dann mit einem Seufzer wieder entweichen ließ. Bücher und Schriftrollen. Vom Boden bis hinauf zu der getäfelten Decke erstreckten sich die Regale, die sich unter den dicken, ledergebundenen Bänden bogen. Vlaros’ Augen leuchteten. Sanft strich er an den Buchrücken entlang und blätterte dann vorsichtig in einem Band, der sehr alt schien. Auch Rolana reckte den Kopf, um die meist schon verblassten Goldlettern auf den Buchrücken zu entziffern. Thunin und Cay blieben an der Tür stehen. Ungeduldig spielte der junge Kämpfer mit seinem Schwert. Sein Blick wanderte teilnahmslos über die Regalwände. Plötzlich huschte Ibis herein.
»Ich habe einen Lichtschein gesehen. Wir bekommen Besuch!« Der Zwerg klopfte auf seine Axt. »Lass sie nur kommen«, knurrte er. »Ich bin bereit.«
Rolana eilte an seine Seite und hob
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