Die Drachenkrone ("Drachenkronen"-Trilogie) (German Edition)
beschwichtigend die Hände. »Nur nichts überstürzen. Wir wissen doch gar nicht, wer es ist und ob er uns freundlich oder feindlich gesinnt ist.«
Mit klopfendem Herzen warteten die Freunde und lauschten den sich nähernden Schritten, die vor der Bibliothek verstummten. Die Tür schwang auf, und herein trat eine junge Frau, in der einen Hand eine gelöschte Kerze, in der anderen ein kleines Buch mit schwarzem Einband. Anscheinend überrascht, sah sie die Gefährten nacheinander an. Sie hatte ein ebenmäßiges Gesicht, das von glattem, bläulich schwarzem Haar eingerahmt wurde. Das seidig fließende Gewand ließ eine zierliche Figur erahnen.
»Ich wusste nicht, dass Besucher angekommen sind«, sagte sie mit heller, seltsam voll tönender Stimme, die nicht nur vom Hall der steinernen Wände verursacht wurde. »Das freut mich sehr. Darf ich euch eine Erfrischung anbieten? Ihr seid sicher lange gereist? Woher kommt ihr?«
Der übernatürliche Charme verzauberte die Freunde. Sie hingen der schwarzhaarigen Schönheit an den Lippen und beantworteten freimütig ihre Fragen. Selbst der sonst so misstrauische Thunin lächelte sie vertrauensvoll an. Rolana wich einige Schritte zurück. Das war seltsam. Sie hatten keine Ahnung, wer die Frau überhaupt war und was sie hier in der Burg trieb.
Unauffällig knuffte sie Cay in die Rippen, der gerade von ihrem Auftrag zu sprechen begann. Verwirrt hielt er inne. Ohne ihr betörendes Lächeln zu mildern, hob die Frau ihre dünnen Augenbrauen und sah Rolana durchdringend an. Da durchfuhr es die junge Priesterin wie ein Blitz: Magie! Die Schwarzhaarige war eine Magierin und hatte die Freunde mit einem Zauberspruch betört. Rolana blieb keine Zeit, darüber nachzudenken, warum der Zauber bei ihr nicht gewirkt hatte. Sie sah, wie die Frau die Lippen bewegte; ihr Zeigefinger malte eine Rune in die Luft. Rolana merkte noch, wie das Gefühl aus ihren Beinen wich. Sie wollte etwas sagen, sich wehren oder weglaufen, doch eine bleierne Müdigkeit lähmte sie, ihre Lider sanken herab. Dann verlor sie das Bewusstsein.
In einer Grotte tief unter dem Meeresspiegel, in der man nur das Wiegen von Algen und ein paar Fische erwarten würde, herrschte lebhaftes Treiben. Zwielichtige Gestalten mit merkwürdig klobigen Metallschuhen an den Füßen schleppten Kisten aus einem dunklen Gang herein und stapelten sie an den Wänden der Grotte sorgfältig auf. Das natürliche Gewölbe flackerte in einem bläulichen Licht, das von einigen glimmenden Stäben ausging, die in eisernen Haltern an den Wänden befestigt waren.
Umgeben von einer großen Luftblase betrat ein Mann in weiten Gewändern und einem runenbestickten Umhang die Meereshöhle. Das blaue Licht gab seinem Gesicht eine kränkliche Erscheinung. Auch sein Haar wirkte seltsam farblos. Die wässrigen Augen lagen tief in ihren Höhlen und wurden von düsteren Schatten umlagert. Seine blutleeren Lippen waren fest zusammengepresst. Das fliehende Kinn wurde kaum von seinem dünnen Bart verdeckt.
Der Mann beobachtete den Fortschritt der Arbeit eine Weile, dann schlurfte er über den sandigen Boden auf das große Portal der Grotte zu. Tief in Gedanken versunken, trat er hier und da eine Muschel oder einen vorwitzigen Krebs zur Seite. Im freien Wasser, das glatt unter dem bewölkten Nachthimmel ruhte, wies ihm eine Spur leuchtender Steine seinen Weg. Er gönnte weder dem imposanten Wrack an seiner Seite einen Blick, noch interessierten ihn die bizarren Felsen, die hier einst als glutflüssige Lava ins Meer geflossen waren. Bald darauf veränderte sich die Form der Schatten um ihn herum. Aus Felsen wurden stattliche Gebäude, schlanke Türme tauchten aus der Dunkelheit auf und verschwanden wieder, aus Fenstern und Nischen drang warmes Licht und erhellte die dünn mit Sand bedeckte gepflasterte Straße.
Der Magier strebte auf ein großes achteckiges Gebäude zu, das von einer schimmernden Kuppel gekrönt wurde. Die Wände schillerten in wechselnden Farben, und ab und zu lösten sich kleine Luftblasen und stiegen in die Meeresnacht empor. Besorgt betrachtete er einen Riss, durch den unentwegt Luftperlen entwichen.
Ich muss das in Ordnung bringen, bevor der Narbige es sieht, dachte er.
Der Magier trat auf das goldene Portal zu, streifte die Blase um sich herum ab und trat ein. Im Innern des prachtvollen Kuppelbaus herrschten Wärme, Luft und Licht. Fast gierig atmete er ein und ließ die Luft dann mit einem Seufzer wieder entweichen. Er schüttelte sich,
Weitere Kostenlose Bücher