Die Drachenkrone ("Drachenkronen"-Trilogie) (German Edition)
Vlaros kam sich der junge Schwertkämpfer immer so ungebildet und dumm vor. Der Magier sprach über so viele Dinge, von denen Cay keine Ahnung hatte, und betonte immer, wie wichtig eine solide Ausbildung war. Oft saß er stundenlang da und füllte Seite um Seite des dicken Buches, das er überall mit hinschleppte, mit seiner sauberen Handschrift. Cay dagegen bereitete das Lesen und Schreiben beträchtliche Mühe. Auch Rolana war gebildet, doch sie war niemals hochnäsig. Dennoch konnte er in ihrer Gegenwart nicht unbefangen sein. Wenn sie ihn ansah, wusste er nicht mehr, was er hatte sagen wollen, und wenn ihm ein Missgeschick passierte, dann meist, wenn Rolana neben ihm stand. Cay war froh, dass Ibis die Geschichte mit dem Reh beim Abendessen nicht zum Besten gegeben hatte.
Das Bogenschießen war nicht so zufrieden stellend ausgefallen, und sie hatten abgebrochen, als es zu dunkel wurde. Jetzt saß Cay am Lagerfeuer und hielt Wache. Er schob noch einige Zweige in die Flammen und ließ den Blick über die schlafenden Gefährten wandern. Es war schon nach Mitternacht, und die Sichel des Mondes stand am klaren Himmel. Aufmerksam lauschte Cay in die Nacht, die so trügerisch friedlich schien, doch er wusste wohl, wie schnell sich das in der Wildnis draußen ändern konnte. Mit Schaudern dachte er an die beiden Oger zurück, die auf ihrerReise nach Fenon eines Nachts das Lager überfallen hatten. Nicht auszudenken, was geschehen wäre, wenn der wachsame Zwerg sie nicht rechtzeitig bemerkt hätte.
Cay sah zu Ibis hinüber, die sich wie ein kleiner Hund unter ihrer Decke zusammengerollt hatte. Thunin lag mit offenem Mund auf dem Rücken und schnarchte, dass seine Barthaare zitterten. Dann huschte sein Blick zu Rolana und verweilte dort. Das Mondlicht umschmeichelte ihr Gesicht, das glücklich im Schlaf lächelte.
Wie schön ist es, wieder Freunde gefunden zu haben, dachte Cay.
Rolana rekelte sich und streckte ihre steifen Glieder. Es war der vierte Morgen auf ihrer Reise nach Norden. Sie waren gut vorangekommen. Cewells Karte hatte sich als sehr nützlich erwiesen, und das schöne Wetter hatte das seine dazu getan.
Die Sonne erhob sich gerade über die Baumwipfel. Es wurde Zeit, die Freunde zu wecken. Rolana hatte gem die letzte Wache übernommen, denn sie liebte die Stunden des herannahenden Tages, wenn der Mond und die Sterne nach und nach verblassten und der samtschwarze Himmel gläsern wurde, um sich dann von der nahenden Sonne in purpurne Gewänder hüllen zu lassen.
Vor ihrer Abreise hatte die junge Priesterin ihre weiße Kutte gegen wildlederne Hosen, ein weites Hemd und einen warmen Umhang getauscht. Erstaunt stellte sie immer wieder fest, wie wohl sie sich in ihrer neuen Haut fühlte. Mit der Stiefelspitze schob sie ein wenig Reisig in die Glut, dann weckte sie die anderen.
Sie verließen die Waldlichtung und ritten nun an den immer schroffer werdenden Ausläufern der Silberberge entlang, die steil und abweisend in den Morgenhimmel ragten. Rolana hielt an, um einen Blick auf die Karte zu werfen.
»Ich denke, wir werden Theron noch vor Sonnenuntergang erreichen.«
Vlaros zügelte sein Pferd. »Das hoffe ich«, stöhnte er, »dann können wir endlich wieder eine Nacht in einem richtigen Bett zubringen.« Sorgfältig klopfte er sich ein paar dürre Blätter von seinem Gewand. Er seufzte, als er einen Grasfleck knapp über dem Saum entdeckte. Ibis, die gerade von ihrem Erkundungsritt zurückkehrte, grinste spöttisch.
»Es ist doch zu dumm, dass wir nicht daran gedacht haben, eine Waschfrau für unseren Herrn Magier mitzunehmen.«
Sie rasteten für ein kurzes Mahl und ritten dann durch einen düsteren Tannenwald. Der Boden stieg leicht an und wurde immer steiniger. Sie passierten eine aufragende Felsnadel, die Bäume wichen zurück, und plötzlich lag die Burg zu ihren Füßen.
Die wehrhafte Burg Theron war auf einer Halbinsel errichtet worden, die am Fuß einer steilen Felsklippe in einen See hineinragte. Die Erbauer hatten die Mühe nicht gescheut, die Halbinsel durch einen breiten Graben vom Festland zu trennen, so dass die stolzen Mauern nun von allen Seiten von Wasser umgeben waren und man Theron nur per Boot oder über die Zugbrücke erreichen konnte. Abweisend und feindselig starrten die leeren Fenster zu ihnen herüber. Ein massiver Bergfried ragte hoch in den Himmel.
Die Zugbrücke war heruntergelassen, doch nichts regte sich. Keine Menschenseele war zu sehen, und nicht einmal die Vögel stimmten
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