Die Drachenkrone ("Drachenkronen"-Trilogie) (German Edition)
aufrecht im Sattel.
Rolana studierte aufmerksam die Karte, die ihnen Cewell gegeben hatte. Vier oder fünf Tage würden sie auf dem direkten Weg durch die Wälder schon brauchen. Immerhin mussten sie nicht den weiten Umweg über Welchen und Dijol nehmen, den die Handelskarren benutzten, da die Waldpfade viel zu schmal für sie waren. Es war nicht einfach gewesen, die junge Gräfin davon zu überzeugen, dass es für sie sicherer war, wenn sie vorerst bei ihren Eltern blieb, bis die Freunde herausgefunden hatten, was auf Burg Theron vor sich ging, doch schließlich hatte sie nachgegeben.
Die Freunde ritten auf ein lichtes Wäldchen zu. Rolana sah sich um: das saftige Grün, die unzähligen Vögel, die mit ihren hellen Stimmen den Morgen begrüßten, der Tau, der in den Grashalmen funkelte. Ein Glücksgefühl durchströmte sie, und so stimmte sie eine Hymne an Soma an. Sie dankte ihm für die Schönheit der Welt und für seine Güte, sie an diesen Platz geführt zu haben. Der Wind trug ihre kräftige Altstimme zu den beiden Reitern hinter ihr, die dem Lied schweigend lauschten.
Rolana war erfüllt von ganz neuen Gefühlen. Etwas in ihr war in den letzten Tagen erwacht, es keimte und wuchs. Ungekannte Wünsche erfüllten ihre Gedanken. Die ganzen Jahre war sie im Kloster zufrieden gewesen und hatte nichts vermisst, doch nun konnte sie sich nicht mehr vorstellen, in die stille Abgeschiedenheit der alten Mauern zurückzukehren. Rolana dachte an die wilden Berge und die Weiten der Wüste Drysert, von der Thunin ihr erzählt hatte. All das wollte sie mit ihren eigenen Augen sehen. Der Hunger nach Freiheit und Leben war in ihr erwacht.
Am späten Nachmittag überquerten die Gefährten einen schmalen Bachlauf. Das Gras wuchs hier üppig, und die Sonnenstrahlen tanzten auf dem klaren Wasser. Sie beschlossen, hier ihre erste Nacht zu verbringen. Thunin rutschte vom Pferd und ließ sich ins Gras plumpsen. Er zerrte seine Stiefel von den Füßen, warf sie achtlos zur Seite und streckte sich dann wohlig seufzend zwischen den duftenden Blumen aus. Die Sonne wärmte sein Gesicht.
»He!«, rief Ibis und trat ihn mit der Stiefelspitze in die Seite. »Kommst du nicht mit auf die Jagd?«
Thunin gähnte. »Nimm doch diesen jungen, hoffnungsvollen Schwertkämpfer mit.«
Die Elbe zuckte mit den Schultern. »Du wirst auch immer fauler«, brummelte sie und winkte dann Cay, ihr zu folgen.
Die beiden waren noch nicht lange unterwegs, da legte Ibis den Finger auf die Lippen. Geräuschlos bog sie einen Ast zur Seite und sah auf die Lichtung hinaus. Ein Reh äste dort friedlich. Noch merkte es nichts von der drohenden Gefahr. Ibis nahm den Bogen von der Schulter, legte dengefiederten Pfeil an und spannte die Sehne. Der Ast war im Weg. Ungeduldig winkte sie Cay heran.
Mit zwei großen Schritten stand er neben ihr. Knacks!
Ein dürrer Ast brach unter seinem Stiefel. Das Reh hob den Kopf und lauschte; seine Ohren spielten nervös. Unruhig sah es sich nach allen Richtungen um, um die Quelle des Geräuschs zu orten. Die Nüstern blähten sich ängstlich. Einen Augenblick starrte es bewegungslos zu ihnen herüber, dann sprang es flink in den Wald und verschwand.
Ibis schlug sich an die Stirn. »Cay! Musst du dich immer wie eine achtköpfige Hydra bewegen?«
Der junge Mann hob verlegen die Schultern. »Tut mir Leid.«
Doch das Jagdglück war ihnen an diesem Tag noch hold. Eine Stunde später schleiften sie einen jungen Hirsch zum Lagerplatz. Thunin half, das Tier abzuhäuten und zu zerlegen. Ibis zog einen Beutel Salz aus ihrem Rucksack und begann die Fleischstücke, die sie heute nicht essen würden, damit einzureiben.
Die Elbe übte in einiger Entfernung mit ihrem Bogen. Interessiert trat Cay näher und sah ihr zu.
»Willst du auch mal?«, fragte sie und nahm einen neuen Pfeil aus dem Köcher.
»Ich weiß nicht.« Cay schüttelte den Kopf. »Ich kann das nicht.«
»Dann wird es aber Zeit!« Ibis schob das Kinn nach vorn und setzte eine gewichtige Miene auf. Sie reichte Cay Pfeil und Bogen und überschüttete ihn mit einer Flut von Erklärungen, von denen er sich nicht einmal die Hälfte so schnellmerken konnte. Die Elbe war eine ungeduldige Lehrerin, und Cay hatte Mühe, sich mit ihren widersprüchlichen Anweisungen zurechtzufinden.
Cay genoss die Gesellschaft von Ibis und Thunin. Sie waren rau, und manches Mal schalten sie ihn oder lachten über ihn, wenn er sich ungeschickt anstellte, doch sie redeten in derselben Sprache. Bei
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