Die Drachenkrone ("Drachenkronen"-Trilogie) (German Edition)
Tür, die von zwei Ritterrüstungen bewacht wurde.
»Welch gemütliches Plätzchen«, sagte Ibis und schlenderte auf den größten Sarg zu.
Rolana schüttelte den Kopf. »Vergeht dir denn nie das Lachen? Fühlst du dich niemals mulmig oder verzagt?«
Ibis tat so, als überlege sie angestrengt. »Nein, ich glaube, die Angst und das Feingefühl hat man mir schon in früher Kindheit nachhaltig ausgetrieben.«
Sie grinste wie üblich, aber Rolana spürte den traurigen Ernst in ihrer Stimme. Es drängte sie, die Elbe nach diesen Erlebnissen zu fragen, die sie so geprägt hatten, doch dies waren sicher nicht der richtige Ort und die richtige Zeit für solch ein Gespräch.
Schaudernd sah sie, wie Ibis sich abmühte, den Sargdeckel zur Seite zu schieben. Sie wollte die Elbe gerade zurückrufen und sie bitten, die Ruhe der Toten nicht zu stören, da trat Thunin heran, um ihr zu helfen. Er gab dem Sargdeckel einen kräftigen Stoß, dass er zur Seite glitt und mit einem ohrenbetäubenden Krachen auf den Boden aufschlug. Verwesungsgeruch erfüllte die Gruft und ließRolana würgen. Vlaros zog ein monogrammbesticktes Taschentuch aus dem Umhang und presste es sich vor die Nase, doch Ibis und Thunin sahen nur erstaunt in den Sarg, in dem eine mit seidenen Beinlingen, Hemd und samtenem Wams bekleidete männliche Leiche lag.
»Das ist seltsam«, raunte der Zwerg, »sehr seltsam.«
Cay trat zu ihnen und warf auch einen Blick in den mit zerschlissenem Samt ausgeschlagenen Sarg.
»Was ist merkwürdig daran, dass eine Leiche in einem Sarg liegt?«, fragte er, doch statt einer Antwort schob Thunin auch die beiden anderen Deckel zur Seite. Auch diese etwas kleineren Särge waren nicht leer. Im linken lag ein fast zu Staub zerfallenes Skelett, im rechten eines, kaum besser erhalten, und noch ein zweites, das jedoch in mehrere Teile zerbrochen war. Der Zwerg nickte langsam.
»Sieh es dir an, dann kannst du deine Frage vielleicht selbst beantworten«, sagte er zu Cay.
Der junge Schwertkämpfer ließ den Blick über die Toten wandern. »Im rechten liegen zwei«, sagte er schließlich. Thunin verdrehte gequält die Augen. Trotz des Brennens in ihrem Hals kam Rolana näher und besah sich den jungen Toten im mittleren Sarg.
»Ich habe in meinem Leben noch nicht viele Tote gesehen«, sagte sie und sah Thunin fragend an, »aber ich vermute, dass er nicht länger als zwei Wochen tot ist. Oder glaubst du, hier unten gibt es etwas, das die Verwesung aufhält?«
Der Zwerg schüttelte den Kopf. »Nein, das glaube ich nicht, und es schmeckt mir gar nicht, zwischen den alten Göttern und Skeletten eine so frische Leiche zu finden.«
Cay schluckte. Rolana trat noch näher und zwang sich, den Toten genau zu betrachten. Es war schwer, sein Alter zu schätzen, doch sie war sich sicher, dass er die dreißig nicht erreicht hatte. Sein Gewand und der schwere Siegelring an seinem Finger sprachen von Wohlstand, die Kleidung war jedoch schlicht und in gedeckten Farben gehalten. Vielleicht einer der Landadligen? Plötzlich durchfuhr es die Priesterin wie ein Blitz. Sie beugte sich vor und zog vorsichtig den Ring von seinem Finger. Das Wappen blitzte im Flammenschein, und nun sog auch Thunin scharf die Luft ein.
»Das Wappen von Theron«, sagte er leise.
Rolana nickte. »Ja, ich fürchte, wir haben Graf Gerald von Theron gefunden.«
Die Freunde schwiegen und dachten an die junge Gräfin, die nun wohl ihren Platz auf der Burg einem entfernten Vetter des Grafen überlassen musste, um zu ihrem ungeliebten Vater zurückzukehren. Rolana steckte den Ring in ihr Bündel.
»Leider können wir der Gräfin nur traurige Gewissheit bringen«, sagte sie leise. Fragend drehte sie sich um, als sie Thunin hinter sich schimpfen hörte. Sie sah, wie Ibis aus dem zweiten Sarg eine goldene Kette und einen Ring mit einem großen Smaragd angelte und gelassen in ihrem Beutel verschwinden ließ. Der Zwerg machte ihr Vorhaltungen, nannte sie diebisch und warf ihr vor, die Toten zu schänden, doch Ibis zuckte nur die Schultern.
»Ich denke, die Toten haben keine Verwendung mehr dafür, oder?«
Rolana wollte Thunin gerade unterstützen, als sie imSarg des Grafen etwas glänzen sah. Ein Stein, nein, eine kleine Figur an einem einfachen Lederband lag neben seinem Haupt. Sie konnte den Blick nicht mehr abwenden, und es war, als würde eine fremde Macht ihre Hände leiten, die nach der Kette griffen und sie dann rasch hervorzogen. Die Priesterin drehte sich zur Seite, so dass
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