Die Drachenkrone ("Drachenkronen"-Trilogie) (German Edition)
erwischt, doch das ist in Ehniport kein Problem. Ferule musste nur sein Zeichen hinterlassen, schon drückten die Wächter ein Auge zu und ließen mich entwischen.« Sie nickte nachdenklich.
»Mit der Macht ist es schon seltsam. Viele, die denken, sie läge in ihren Händen, sind in Wirklichkeit ohnmächtig. All die Grafen und Stadträte mit ihren wohlgenährten Bäuchen haben nicht einmal die Macht, einen Dieb festzuhalten, wenn es Ferule nicht gefällt. Die Angst vor seiner Rache hält sie alle in Schach.« Ibis trank einen Schluck aus dem Wasserschlauch und wischte sich dann den Mund an ihrem Ärmel ab.
»Weißt du, Recht ist ein dehnbarer Begriff. Ein Freund hat mir einmal aus einem dicken Buch vorgelesen, welche Gesetze sich die Stadträte so ausgedacht haben, doch die Regeln der nächtlichen Straßen sind ganz andere.« Ihre Stimme klang bitter.
»Ja, Ferule ist der wahre Herr von Ehniport. Er ist der uneingeschränkte Herrscher über Leben und Tod, der König der Unterwelt. Wenn er dich in seinen Fängen hat, kannst du gehorchen oder sterben.«
»Wie bist du ihm entkommen?«, fragte Cay.
»Eines Nachts kam Ferule ziemlich betrunken in den Unterschlupf zurück. Ich teilte zu dieser Zeit sein Lager. In dieser Nacht konnte ich nicht schlafen, daher lag ich wach, als sie kamen. Ich weiß nicht, wie es geschehen konnte, dass seine Sicherungsvorkehrungen versagten, denn Ferule ist ein misstrauischer Mann. Vielleicht war ihre Magie, die sie unbemerkt eindringen ließ, einfach besser, jedenfalls standen plötzlich zwei Männer in seiner Schlafhöhle. Ich spürte, dass sie ihn töten wollten, und griff zu den Waffen. Der Erste kam nicht einmal drei Schritte weit, da traf ihn mein Wurfdolch mitten ins Herz. Ferule wachte nicht einmal auf! Der Zweite jedoch war ein hartnäckiger Kerl, mindestens sechs Fuß hoch und breit wie ein Bär. Wir fochten durch die Höhle hin und her, aber dann trieb er mich gegen die Wand. Mit einem gemeinen Grinsen drückte er mir sein Schwert an die Kehle. Er war gut, doch ich war noch besser. Du hättest den verblüfften Gesichtsausdruck sehen sollen, als ich ihm mit der Linken meinen zweiten Dolch in die Brust stieß. Er war sofort tot.« Die Elbe zog eine Grimasse.
»Erst jetzt wachte Ferule auf und lallte etwas Unverständliches. Ich kippte ihm einen Eimer Wasser über den Kopf, dennoch brauchte er eine ganze Weile, bis er begriff, was geschehen war. Mein ganzes Leben habe ich ihn nie so verwirrt gesehen. Zum Dank gewährte er mir einenWunsch, und ich wollte frei sein.« Sie schwieg eine ganze Weile, ehe sie fortfuhr.
»Ich bin einmal bei dem Senator von Lichtenfels eingestiegen, und da habe ich ein Bild gesehen. Eibenmädchen waren darauf gemalt. Sie waren so wunderschön. Sie tanzten im Mondlicht an einem schilfgesäumten, silbern schimmernden See, und da habe ich mir eingebildet, irgendwann könnte ich sein wie sie, könnte mit den anderen Elben im Wald leben und mit ihnen glücklich sein.« Sie lachte hart, und auch Cay schmeckte die Bitterkeit auf der Zunge.
»Ibis, wie alt bist du eigentlich?«
Sie zuckte die Schultern. »Ich habe erst bei meinem zweiten Leben zu zählen begonnen, und das fing an, als ich vor fünf Jahren Ehniport hinter mir ließ. Die Jahre davor zählen nicht.«
Ibis starrte abwesend in die Glut. Ab und zu legte sie Holz nach. Vlaros schlief den Schlaf der Gerechten. Cay rollte sich am Feuer zusammen. Es dauerte eine ganze Weile, bis er einschlief, und auch dann folgten ihm Ibis’ Worte durch seinen unruhigen Traum.
Er hatte das Gefühl, gerade erst die Augen geschlossen zu haben, als Ibis’ Hand auf seiner Schulter ihn unsanft wachrüttelte. Sie hielt ihr kurzes Schwert in der Hand und flüsterte: »Sie kommen!«
Einen Moment lang war Cay verwirrt, doch dann erkannte er den Klang von knöchernen Füßen auf dem Steinboden. Er sprang auf und zog sein Schwert. Die beiden Freunde huschten zum Torbogen hinüber. Mit klopfendem Herzen lauschten sie den sich nähernden Schritten und dem leisen Klirren der Schwerter. In militärischem Gleichschrittkamen sie heran. Es waren so viele, dass Cay sie auf den ersten Blick nicht zählen konnte. Er sah nur die blitzenden, roten Augen auf sich zukommen und dann die blanken Waffen, die das Licht ihrer Lampe enthüllte, als er die Blende öffnete. Das erste Skelett erreichte den Platz vor dem Torbogen. Cay stürzte vor und streckte es mit einem einzigen Hieb nieder, doch bevor er sich dem nächsten zuwenden konnte,
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