Die Drachenkrone ("Drachenkronen"-Trilogie) (German Edition)
Kindheitserinnerungen von dem großen Blasebalg beherrscht, den er stundenlang bedienen musste, und von der glühenden Hitze, der man in der Schmiede nirgends entgehen konnte. Ach, wie gut tat es da, das gerötete Gesicht und die blasenbedeckten Hände im taufeuchten Gras zu kühlen.
»Ich werde später auch Schmied!«, verkündet Ystop, der Älteste, stolz. Wann immer die Mutter ihn sucht, findet sie ihn schwarz vom Ruß in der Schmiede, wie er fasziniert dem Vater bei der Arbeit zusieht oder flink hin und her eilt, um ihm das gewünschte Werkzeug zu holen. Ystop ist stolz auf den Ruß im Gesicht und auf den Händen, und es gibt jeden Abend Streit, wenn die Mutter ihn zum Waschzuber vor das Haus schickt, um sich den Dreck und den Schweiß abzuwaschen.
Seine Brüder und auch die anderen jungen Zwerge hänseln Thunin, wann immer sich eine Gelegenheit bietet. Was ist er für ein seltsamer Zwerg, der Angst vor der Enge und der Dunkelheit hat? Die Mutter tröstet ihn und verspricht, es würde eines Tages vorbeigehen, und dann wäre auch er ein richtiger Zwerg. Doch will er so werden wie alle anderen? Nein! Allein die Vorstellung schmerzt ihn. Er sieht die Frauen und Männer der Sippe vor sich, wie sie abgearbeitet und staubig aus den Stollen kommen, die Gedanken nur noch bei einer kräftigen Suppe und dem warmen Lager, auf dem sie ihre müden Knochen ausstrecken können.
Die meisten seiner weitläufigen Sippe schürfen in den Bergen nach Kupfererz. Alt und krumm werden sie, aber niemals reich. Merkt denn niemand von ihnen, wie schön die Welt sein kann? Gönnen sie sich jemals die Ruhe, bei Sonnenaufgang durch den Wald zu laufen und dem Gesang der Vögel zu lauschen? Nein, er will kein Zwerg sein wie alle anderen. Kurz entschlossen packt Thunin sein Bündel und stiehlt sich nachts heimlich aus dem Haus. In seinem naiven Vertrauen auf die Güte der Natur macht er sich in die fremde, geheimnisvolle Welt auf.
Ein Fußtritt weckt ihn unsanft.
»He, wen haben wir denn da? Hat der Kleine sich verlaufen und Mamas Rockzipfel verloren?«
Die Meute lacht dröhnend. Thunin reibt sich den Schlaf aus den Augen und mustert schweigend die Männer, die um ihn herumstehen. Fünf Burschen mit ungepflegten Bärten und schmutzigen Kleidern, doch gefährlich glänzenden Klingen an ihrer Seite. Der Mann, der ihn so unsanft geweckt hat, gibt ihm noch einen Fußtritt und zieht dann einen langen Dolch hervor.
»Du hast doch sicher ein paar Goldstücke für uns?«
Thunin bringt kein Wort heraus. Er schüttelt nur den Kopf. Geld besitzt er nicht. Seit seiner Flucht aus dem Elternhaus hat er von Beeren und Wurzeln gelebt. Das kleine Messer in seinem Gürtel taugt weder zum Jagen noch als Waffe.
Der Mann greift wütend nach Thunins Bündel und leert die wenigen Habseligkeiten auf der Waldlichtung aus. Er durchwühlt alles gründlich, doch er kann keine einzige Münze finden. Voller Zorn zerfetzt er Thunins Decke, seinen zweiten Kittel und die Strümpfe, zerbeult den Blechtopf und die Laterne. Mit seinem Stiefel zerbricht er die Flöte, die sich Thunin geschnitzt hat, und schleudert die Teile ins Dickicht.
»Du kleiner Bastard!«, schreit er und schlägt auf den Zwerg ein. Blut schießt aus Thunins Nase, und dicke Tränen rollen über seine Wangen. Fassungslos starrt er den Mann an.
»Ich mache dich kalt«, schreit der. »Du hast mich geärgert, und wer den wilden Jack ärgert, wird aufgeschlitzt.«
Drohend schwingt er den Dolch vor Thunins Gesicht und weidet sich an der Angst in seinen Augen. Der Zwerg ist erstarrt. Er sieht in die kalten Augen seines Peinigers, während das schöne Bild seiner Welt in tausend Scherben zerspringt. Blitzschnell zieht ihm der Mann die Klinge über die bartlose Wange und lacht, als Thunin aufschreit und die Hand auf den Schnitt presst.
»Das ist erst der Anfang. Wir werden noch viel Spaß miteinander haben.«
»Verdammt, Jack, nun lass den Jungen in Ruhe, wir haben noch einen weiten Ritt vor uns«, mischt sich einer seiner Kameraden ein.
Jack tritt Thunin noch einmal in den Magen, so dass er vor Schmerz zusammengekrümmt liegen bleibt, dann lässt er von seinem Opfer ab, schwingt sich auf sein Pferd und folgt den anderen, die mit Geschrei und Gejohle in den Wald hineinpreschen.
Verletzt bleibt Thunin liegen. Erst zwei Tage später kann er sich wieder aufrappeln, um weiterzugehen, doch der Hunger schwächt ihn, so dass er nur langsam vorankommt. Fieberanfälle wechseln mit Schüttelfrost, und bald hat er
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