Die Drachenkrone ("Drachenkronen"-Trilogie) (German Edition)
Morgengrauen des Reisetages zum Nordtor auf, um dort mit den anderen der Gruppe zusammenzutreffen. Erst denkt er, seine übermüdeten Sinne spielen ihm einen Streich, als er Rolana dort neben einem Zwerg stehen sieht. Sie dreht sich um und kommt auf ihn zu, um ihn zu begrüßen. Schwindel erfasst seine Sinne, und es ist ihm, als müsse er auf die Knie sinken, um den Göttern für diese Gnade zu danken. Wochenlang haben sie, fern der strengen Klostermauern, Zeit, nebeneinanderher zu reiten oder am Feuer zu sitzen, um über alte Sagen und Geschichten zu sprechen. Doch so manches Mal überlegt er sich, ob es nicht doch die schwarzen Dämonen waren, die hier ihre Hand im Spiel haben, denn er merkt schnell, dass er nicht der Einzige ist, der an der jungen Priesterin Gefallen gefunden hat. Mit Unbehagen sieht er die Blicke, die der Schwertkämpfer, der zum Schutz der Reisenden mitkommt, ihr zuwirft. Manchmal, wenn er etwas zu ihr sagt, lacht Rolana silberhell auf und schenkt ihm ein Lächeln, das Vlaros wie ein Dolchstoß schmerzt. Dann, einige Tage bevor sie ihr Ziel erreichen, sitzen sie gemeinsam am Feuer. Der Zwerg pafft, genüsslich seine Pfeife.
»Was macht ihr, wenn wir Fenon erreichen?«, fragt Rolana.
Thunin lächelt. »Ich vermute, Cay wird sein Geld bis auf das letzte Kupferstück ausgeben, Ibis wird versuchen, ihres im Kartenspiel zu vermehren, und dann ziehen wir weiter nach Norden. Wir möchten den Sommer in den Silberbergen verbringen. Vielleicht suchen wir uns im Herbst dann zusammen eine Arbeit, die uns den Winter über ernährt.«
In Rolanas Augen glitzert Sehnsucht. »Ach, wie gerne würde ich mit euch weiterreisen, endlich einmal mit eigenen Augen die hohen Berge sehen.« Sie seufzt. »Stattdessen werde ich viele Monate mit den Brüdern in einer einsamen Klause leben und mich in stiller Meditation üben.«
»Dann komm doch einfach mit uns!«, ruft die Elbe. »Ein wenig göttlicher Beistand kann uns auf unserer Reise nicht schaden.«
Der Zwerg nickt. »Ja, sprich mit den Brüdern. Auf solch einer Reise kannst du mehr lernen als bei deiner ganzen Meditation.«
Rolana schüttelt den Kopf. »Wie stellt ihr euch das denn vor? Ich kann doch nicht einfach mit euch durch die Wälder ziehen.«
Doch Vlaros muss erfahren, dass der Gedanke sie nicht mehr loslässt. Die letzten Tage ihrer gemeinsamen Reise verrinnen, und dann teilt sie ihm freudestrahlend mit, dass die Brüder nichts dagegen einzuwenden haben, wenn sie den Sommer über die Heilpflanzen der Berge studiert. Während sie in der freien Natur immer mehr auflebt, sehnt Vlaros sich nach der sicheren Geborgenheit der Akademie zurück, nach dem geordneten Tagesablauf, der warmen Bibliothek mit ihren alten Büchern. Die wilde, ungezähmte Natur ist ihm unheimlich. Schon als Knabe hat er lieber in Büchern geblättert, als mit den Kindern draußen herumzutollen. Und dennoch lässt er sich auf dieses wahnsinnige Abenteuer ein, nur, um in ihrer Nähe bleiben zu können.
Vlaros’ Blick wanderte wieder hinüber zu Cay und Rolana. Er spürte die zärtlichen Blicke, mit denen Cay die Verletzte liebkoste. Brodelnd vor Eifersucht eilte er auf den Kämpfer zu und griff ihn dann grob an der Schulter.
»Wie soll sie denn gesund werden, wenn du sie nie in Ruhe lässt?«, fuhr er den verdutzten jungen Mann an.
Cay sah zu ihm auf und musterte das vor Erregung rot glühende Gesicht.
»Was verstehst du denn davon?«, fragte er verächtlich.
»Es tut ihr gut, wenn ich bei ihr bin, und außerdem geht dich das überhaupt nichts an.«
»Du tust ja gerade so, als wäre sie dir rechtmäßig angetraut«, polterte er, »doch bisher konnte ich in ihrem Verhalten nur Höflichkeit entdecken, die sie dir aus Mitleid zuteil werden ließ.«
Nun stieg auch in Cay der Zorn hoch. »Ach, wie genau du das zu wissen scheinst. Doch selbst wenn es so wäre, ich bin ihr Freund, und ich bin bereit, für sie zu sterben. Wo warst du denn, als sie in ihrer Todesnot die Hilfe eines Freundes brauchte?«
Die Spitze traf, und Cay entging nicht, wie Vlaros’ Hand nach dem Dolch an seiner Seite griff. Behutsam legte der junge Mann Rolanas Kopf auf die Decke, erhob sich und trat ein paar Schritte von ihr weg. Langsam zog er das Schwert aus der Scheide.
»Du willst also Streit mit mir anfangen.« Seine Stimme klang drohend. »Gut, dann tragen wir es aus.«
Auch in Vlaros’ Augen blitzte kalter Hass. Er zog seinen Dolch, obwohl diese Geste angesichts des Schwertes fast lächerlich
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