Die Drachenlanze (Die Saga von den drei Königreichen) (German Edition)
verwirrte Pater Ersen.“
Balain schaute auf und schüttelte mit dem Kopf. „So einfach ist das leider nicht. Ich habe dir ja erzählt, dass ich in Athin’stan war, auf dem Konzil der beiden Kirchen. Ich hatte dir gesagt, dass das Konzil enttäuschend verlaufen ist. Nun, ehrlich gesagt ist es etwas mehr als enttäuschend verlaufen. In der Kirche der Sonne gibt es Bestrebungen, die für eine striktere Ausübung des Glaubens plädieren.“
„Was heißt das?“, wollte An’luin wissen.
„Nun, das bedeutet, dass die Leute nicht mehr so viele Freiheiten haben sollen in der Ausübung ihres Glaubens. Bestimmte Menschen, die während meiner Abwesenheit leider in höhere Positionen gelangt sind, versuchen sämtliches Unglück damit zu begründen, dass die Menschen nicht genug den Glauben ausgeübt haben. Insofern passt ihnen weder die Königin von Ankilan, noch der König von Sath.“
„Aber der ist doch gar nicht in der Kirche der Sonne.“
„Das ist das nächste Problem. Die Anhänger der Sonne fordern, dass er sich vom Mond abwendet und die Anhänger des Mondes wollen eine Abkehr von der Sonne. Und beide Seiten sagen uns großes Unglück voraus. Wenn also nun Priester, wie jener unsympathische Ersen durch die Lande ziehen und verbreiten, dass Cathyll unser aller Unglück sei, dann wiederholt er nur, was von oben angeordnet ist.“
An’luin lachte. „Da wird er wohl kaum Erfolg haben. Die Leute hier im ‚Eber‘ haben über ihn g elacht. Und jeder weiß doch, dass Cathyll eine gute Königin ist.“
„Nun, das ist das Problem. Jeder Mensch hat Sorgen irgendeiner Art. Mal hat der Nachbar ein Stück Land gestohlen, mal ist eine Ziege entlaufen. Es ist verführerisch zu glauben, dass eine höhere Macht daran Schuld hat. Noch verführerischer ist die Stimme der Angst, die von den neuen Machthabern der Kirchen verbreitet wird. Wenn wir dies und dies nicht tun, sind wir dem Untergang geweiht. Die Menschen sind anfällig für so etwas.“
„Ich glaube, die Menschen werden nicht so dumm sein und auf das dumme Gerede von irgendwe lchen Leuten hören, die ihnen alles mies machen wollen.“ An’luin lehnte sich zurück auf die Bank und verschränkte die Arme hinter seinem Kopf. „Die Vernunft wird siegen.“
„Hoffen wir es“, entgegnete Balain.
33. Vom Müßiggang
areth hatte den Fehler gemacht, die Tage nicht zu zählen, und so hatte er überhaupt kein Gefühl dafür, wie lange er nun schon im Konvent war. Sab und Col hatte er bisher kein einziges Mal zu Gesicht bekommen und die einzigen Zeiten, die er sein Zimmer verlassen konnte, waren die Zeiten gewesen, die er alleine in der Mondkammer verbrachte, „um den Mond zu sehen“, wie es hieß. Er erhielt allerdings keinerlei Anweisungen, weder von dem schweigsamen Mönch, der ihn die kurze Strecke begleitete, noch vom Commolitonen Carn. Und die Briefe, die er fast jeden zweiten Tag an Cathyll schrieb, blieben unbeantwortet.
Als er den Akolyten gefragt hatte, ob es etwas Neues von Sab oder Col gäbe, verneinte dieser. Als er fragte, ob seine Briefe auch sicher weitergeleitet würden, bejahte er dies. Alles sei in Ordnung so wie es sei, das war die eintönige Botschaft, die der Akolyt, dessen Namen Gareth noch nicht einmal kannte, von sich gab. Und Gareth wollte nicht klagen. Er wollte keine Schwäche zeigen, so wie er das bei Meliandra getan hatte, als ihm die Belastung der Einsamkeit anzumerken gewesen war.
Wahrscheinlich liefen die Staatsgeschäfte auch gut ohne ihn und Edmund kam klar. Was sollte es auch schon für dri ngende Angelegenheiten geben, jetzt, nachdem alle Feinde des Landes vertrieben worden waren und das Reich mit dem Norden, mit Ankilan, verbündet war? Das zumindest versuchte er sich einzureden.
Er versuchte sich in das Buch zu vertiefen, das ihm auf seinen Studiertisch gelegt worden war: Larexis‘ Abhandlungen zur inneren Besinnung durch Kontemplation. Der Autor, der vor mehr als dreihundert Jahren gelebt hatte, beschrieb darin die Notwendigkeit der Reise zu sich selbst und der Abkehr von der Welt, um die tiefe Erfahrung des Einsseins mit dem Mond zu machen. Insofern war Gareth klar, dass ihm so wenig Kontakt mit der Außenwelt wie möglich erlaubt wurde. Er sollte Legat des Mondes werden, was eine tiefe Erkenntnis voraussetzte und dazu musste er in sein Innerstes gehen.
Das Problem war nur, dass keiner ihn darauf vorbereitet hatte, wie langweilig und monoton das I nnerste aussehen konnte. Er hatte gedacht, dass er seine Untiefen
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