Die Drachenlanze (Die Saga von den drei Königreichen) (German Edition)
war passiert seitdem. Abgesehen davon, dass er nicht wusste, wie er sich seinem Vater gegenüber verhalten sollte, hatte er ganz einfach Angst davor ihn nicht wiederzuerkennen. Und dann, wenn sie die erste formale Begrüßung hinter sich gebracht hätten, was sollte er dann sagen?
Er hatte kurz mit dem Gedanken gespielt einfach im Skjelltal zu bleiben und so zu tun, als ob er ein einfacher Bauer und Jäger wäre. Aber jeden Abend forderten die Leute im Tal Eyvind dazu auf, neue Lieder über die kühnen Taten des ne uen Königs zu singen und jedes Mal musste er stolz sein Methorn heben und dem Skalden für seine Worte danken.
Ketill blickte hinter sich auf den Schlitten, auf dem hinter Thorvald, einem der vielen Riesen aus dem Ort, der Skalde und Linja eingepfercht zwischen Gepäck und Proviant saßen. Thorvalds eigen tlich schwarzer Bart war weiß gefärbt vom Frost. Die acht Wölfe hechelten und schienen unermüdlich zu sein.
Ketill musste an den großen Wolf denken, den er in der einen Nacht gesehen hatte. Dieser Wolf war nie wiedergekehrt und nachdem er zwei Leuten im Dorf von diesem Wolf erzählt hatte und diese ihn nur verständnislos angeschaut hatten, hatte er jene seltsame Geschichte für sich behalten. Vie lleicht würde er eines Tages Eyvind nach einem riesigen Wolf befragen, aber zunächst musste sich Ketill auf das Problem mit seinem Vater konzentrieren.
Als er nach vorne blickte, sah Ketill in der Ferne, am Fuße des Berges, den sie gerade überquerten, ein paar Lichter. Er blickte sich um und sah, dass ihm der Weg irgendwie bekannt vorkam. Auch im Dunkeln erkannte er, dass die Bäume zum Hang hin abnahmen und der Weg sich in einigen Kurven hinab schlängelte. Neben den Lichtern sah er einen dun klen Streifen im Tal; das musste der Ulfstinn sein, der kleine Fluss am Fuße des Berges.
Seine Knochen schmerzten, als Ketill zusammen mit Eirik und Gundar, dem Lenker seines Schlittens aufstand und auf den harten Schneeboden trat. Männer mit Fackeln waren in die Dorfmitte gekommen, nachdem sie offenbar die Glocken der Schlitten schon gehört hatten. Hektisch blickte Ketill um sich. Welcher war es? Er konnte sich praktisch nur an den Bart erinnern und Bärte trugen die Männer bis auf die jüngeren hier alle.
Ein älterer Mann trat auf Ketill zu und streckte ihm grimmig seine Hand entgegen. Der Mann hatte einen weißen Bart und viele Falten im Gesicht. Er sagte: „König Ketill.“ Ketill öffnete seinen Mund und wollte schon „Vater“ sagen, als der Alte fortfuhr. „Ich bin Haug Dullason, Jarl von Lök. Ich heiße Euch willkommen zur Versammlung. Im Haupthaus sind schon einige Jarls, Goden und Familienobere zusammengekommen, um Euch zu unterstützen.“
Ketill zog die Fellkappe ab und verbeugte sich. „Ich danke Euch, Haug Dullason. Es ist gut in Ze iten wie diesen Verbündete zu haben. Ich darf Euch meine Freunde vorstellen. Dies sind Eyvind, Skalde von Lokar und Eirik Karlsson und Linja.“ Die drei verbeugten sich und Ketill hatte den Eindruck, dass Linja selbst dem simplen Akt des Verbeugens einen Hauch von Ironie gab.
Bevor er dem Jarl folgte, blickte Ketill sich um und versuchte in den Mienen der Männer, die um ihn herumstanden zu lesen. Keiner schien in irgendeiner Weise eine Emotion auszudrücken und Ketill wollte nicht gleich nach seinem Vater fragen - das würde ihm vielleicht als Schwäche ausgelegt werden.
Er erinnerte sich an das Versammlungshaus, das ihm als Kind immer riesig vorgekommen war. Julspiele, Erntefeste, Hochzeiten und Totenwachen hatten hier stattgefunden und immer waren die vier Wände des einzigen Steinbaus im Ort voller Leben gewesen. Die Halle schien ihm jetzt kleiner vorzukommen, dennoch fasste sie immer noch locker über einhundertfünfzig Mann. Als Ketill in die wohlige Wärme des Hauses eintrat, sah er, dass hier einige Männer schon seit Tagen gelebt haben mussten. Neben den Tischen, besonders in den Ecken, hatten die Leute Decken über dem Strohboden ausgebreitet und daneben lagen vereinzelte Kleidungsstücke und Waffen. Die Tische selbst waren zu drei Längsreihen angeordnet mit langen Holzbänken davor. Einige Männer saßen an den Tischen und redeten, andere spielten mit Würfeln oder stierten in die Ferne. In der hinteren Ecke des Saals sah Ketill auch zwei stämmige Frauen sitzen, die stolz und gerade auf den Bänken saßen. Das mussten die Abgesandten aus Hjerma sein, einem Dorf im Norden, das seine Geschicke schon seit Urzeiten in die Hände von den
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