Die Drachenperle (German Edition)
schnarchte er leise. Dass es im Wald wieder Frühling wurde, hatte er gar nicht mehr b emerkt.
Kapitel 2 : Die Macht des Fluches
„Taiki, wach auf, sag was!“
„Mirkat, lass ihn, du siehst doch, er ist halbtot. Es hilft ihm nicht, wenn du ihn schüttelst, er hört dich nicht. Nimm seine Füße, wir müssen ihn ins Warme tragen.“
„Darihd, sieh nur, all das Blut. Diesmal ist er zu weit gegangen.“ Mirkat presste die Lippen aufeinander und atmete heftig durch die Nase ein und aus, in dem vergeblichen Versuch, seine lodernde Wut zu unterdrücken. „Ich schwöre dir, wenn Taiki stirbt, werde ich ihn rächen!“
„Sei still, sie werden dich schneller töten als du Feme sagen kannst, du weiß doch, wie brutal sie sein können.“
„Und wenn schon, dann hat die Drangsal hier mal ein Ende.“
„Damit hilfst du Taiki nicht. Komm, lass uns etwas schneller gehen, er muss sofort ins Warme gebracht werden. Wenigstens blutet er am Kopf nicht mehr so heftig.“
„Wie auch, Darihd, er ist bestimmt ganz leergeblutet. Brauchst gar nicht genervt deine Augen zu rollen, ich habe doch recht, Mann. Sieh ihn dir an!“
Mirkat hatte Mühe, seine Tränen zu unterdrücken, während er mit Darihd den Freund zur Sklavensiedlung trug. Weil Taiki so leicht und klein war, fiel es ihnen nicht schwer, ihn vom Flussufer in die Hütte, die sie gemeinsam mit anderen Männern bewohnten, zu bringen, obwohl der Weg weit war. Die halbe Nacht hatten sie nach ihm gesucht, und es war eine kalte Nacht gewesen. Es war schwierig, unbemerkt die Palisaden zu überwinden, aber die Sorge um ihren Freund hatte sie angespornt. Hinter de m Gebirge im Westen kündete ein zartes Farbenspiel den Sonnenaufgang an, doch keiner der beiden würdigte es mit einem Blick. Als sie in der Schlafhütte ankamen, war die Sonne längst aufgegangen, das Palisadentor zum Sklavenbereich stand offen. Behutsam legten sie Taiki auf seinen Strohsack und deckten ihn mit mehreren verschlissenen Decken zu. Hin und wieder stöhnte er auf und seine Augenlider zuckten.
Darihd nahm Mirkat beim Arm: „Komm, wir müssten längst auf dem Feld sein. Das gibt Ärger für uns. Wir holen noch schnell die alte Mali, damit sie sich um ihn kümmert.“ Mirkat wollte erst dagegen aufbegehren, stimmte dann aber widerwillig zu. Sie selbst konnten ohnehin jetzt nichts weiter für Taiki tun.
Mali hatte einen heißen Stein in ein grobes Tuch gewickelt und legte ihn an Taikis Füße. Der arme Junge war stark unterkühlt. „Nona, bitte geh zurück in die Kochscheune und hole noch mehr heiße Steine. Trage sie am besten im großen Weidekorb her, der neben der Feuerstelle steht. Der ist am stabilsten. Kipp das Anzündholz einfach aus. Und beeil´ dich!“
Nona n ickte und lief davon. Sie war zwölf Jahre alt und flink wie ein Wiesel. „Malis Schatten“ wurde sie genannt. Seit sie vor sechs Jahren von Männern der Roten Horde geraubt worden war und somit zu einem Dasein als Sklavin verdammt wurde, hatte sie kein Wort mehr gesprochen. Vom ersten Tag an hatte sie sich an die alte Frau namens Mali geklammert und wich nicht mehr von ihrer Seite. Und so wurde sie zum Küchenmädchen, das Mali unermüdlich zuarbeitete.
Mali hatte auch Taiki großgezogen. Er war ihr besonders ans Herz gewachsen, denn er wurde ihr übergeben , als er jünger als ein Jahr war, knapp der Muttermilch entwöhnt. Mali liebte ihn , als wäre er ihr eigenes Kind. Als er noch ganz klein war, durfte er bei ihr schlafen, in der Hütte der Frauen. Sie sorgte dafür, dass er immer einen Welpen zum Spielen hatte. Manchmal musste sie ihn allein zurück lassen, wenn die Jäger der Horde erlegtes Wild zum Auswe iden brachten, was Aufgabe der Küchenf rauen war. Taiki konnte den Anblick und den Gestank nicht ertragen. Er brachte es auch nicht fertig, später vom gegarten Fleisch zu essen. Kein Wunder, dass er so klein und sc hwach war, dachte Mali. Jetzt ist er sechzehn alt und sieht aus wie ein Dreizehnjähriger. Man könnte ihn und Nona für gleichaltrige Kinder halten. Aber ein Kind war er wahrlich nicht mehr.
Mali wusch ihm behutsam mit der Tinktur des Bergwohlverleihs das angetrocknete Blut vom Gesicht, vom Hals und aus den Haaren. Die Wunde war tief, ging bis auf den Schädelknochen. Bei allen Göttern, sie werden immer erbarmungsloser! Soweit sie mit ihren alten Augen, die vom Kochen am offenen Feuer stets gerötet waren, sehen konnte, war der Knochen intakt.
„Nona, da bist du wieder, gutes Kind. Verteile
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