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Die Drachenperle (German Edition)

Die Drachenperle (German Edition)

Titel: Die Drachenperle (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlies Lüer
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die Steine an seinem Körper, ringsum unter den Decken. Er braucht Wärme.“
    Nona reichte ihr stumm eine kleine Schachtel an.
    „Kind, was wäre ich ohne dich? Du hast die Wallwurz mitgebracht! Ich rühre das Pulver mit etwas heißem Wasser an, damit wir die Kopfwunde damit bestreichen können. Besser wäre es, wir könnten eine frische Wurzel zerstampfen, aber es ist dafür noch zu früh im Jahr.“
    Taik is Körper entspannte sich zusehends, als er die Wärme der Steine spürte und die vertrauten Hände wahrnahm.
    „Mutter Mali, bist du das?“ , flüsterte er.
    „Ja, mein Junge. Du bist jetzt in Sicherheit.“ Jedenfalls solange, bis sie dich das nächste Mal holen , um dich zu quälen, dachte sie mit großer Bitterkeit.
    Taiki machte kurz die Augen auf, sah das liebevolle verrunzelte Gesicht, murmelte „bin geflogen, habe meine Perle vergessen“ und schlief dann ein.
     
    Eine Woche später musste Taiki schon wieder mit den anderen Sklaven raus aufs Feld. Der Aufseher, ein vergleichsweise privilegierter Sklave, war ein vernünftiger und gebildeter Mann. Er achtete darauf, dass Taiki nur leicht e Arbeiten verrichtete, wie zum Beispiel die Saat ausbringen, sich um die Lämmer kümmern, in der Kochscheune zur Hand gehen. Es wurden mehrere große Felder bewirtschaftet. Fischwirtschaft und Schafzucht waren weitere Bereiche, die dazu beitrugen, all die vielen Krieger, manche mit eigener Familie, und die Sklaven zu ernähren. Nicht zu vergessen , den Clanführer und seine direkten Verwandten.
    Vor 55 Jahren wurde Arik, der Aufseher, von plündernden Reiterkriegern geraubt. Sie begnügten sich nicht damit, Menschen in die Sklaverei zu treiben, sie brandschatzten und mordeten auch. Sie waren das meistgehasste Volk in Gorotanien. Nachdem sie wieder abgezogen waren, brannte seine friedliche Heimatstadt lichterloh, und Arik hatte nicht nur seine Freiheit, sondern auch seine Familie verloren, seine Lehrer und Kameraden. Und noch etwas war für ihn verloren: seine Zukunft als Bibliothekar. Arik war in seiner Jugend ungewöhnlich begabt und hatte seine Lehrer fast schon überflügelt. Sie alle hatten mit ihm große Pläne gehabt. Doch das Schicksal hatte einen anderen Verlauf genommen. Wochenlang waren die Krieger und ihre menschliche Beute unterwegs gewesen, ehe sie nach Rossheim gelangten, in die primitive Siedlung der Roten Horde. Mit ihm selbst kamen 23 weitere geraubte junge Menschen hier an. Nur ganz selten gelang einem die Flucht. Sie wurden einfach zu gut bewacht und ihre Kräfte durch Schwerstarbeit und knappe Rationen zu sehr geschwächt.
    An manchen Abenden, wenn er allein vor seiner kleinen Hütte saß und die Abendsonne sinken sah, spürte er noch die scheuernden Fesseln, die man ihm damals angelegt hatte. Weil er einer der wenigen Gebildeten unter ihnen war, wurde er nicht zur Arbeit gezwungen, nein, er wurde der Erzieher der Söhne des damaligen Clanführers. Sie sollten neben der Kriegs- und Reitkunst, die sie beim damaligen Waffenmeister lernten, auch Lesen und Schreiben lernen und mit Zahlen umgehen können. Für diese Barbaren aus dem Norden war das eine erstaunlich fortschrittliche Erziehung. Einer der Brüder saß jetzt seit dem Tod des Vaters als Clanführer im Sattel, zum Glück für alle der am wenigsten hohlköpfige Bruder! Arik verzog das Gesicht, als er daran dachte, wie lange es gedauert hatte, ehe diese Jungen das Lernen an sich gelernt hatten. Sie waren so wild gewesen. Wussten alles über Pferde und Waffen und Strategie – aber abstraktes Denken oder das Führen von Feder und Tinte waren ihnen ein Gräuel. Bücher dienten ihnen nur als Wurfgeschosse auf ihren leidgeprüften Lehrer.
    Dieser Taiki war ganz anders. Arik hatte ihn heimlich unterrichtet. Er hatte eine rasche Auffassungsgabe, ein gutes Gedächtnis, geschmeidige Finger zum Schreiben und er konnte konzentriert zuhören. Nur beim Rechnen blieb er auf der unteren Stufe. Aber das verblasste völlig an Bedeutung. Wer musste schon Zahlen lieben, wenn er eine solch grandiose Stimme hatte? Singen konnte dieser Junge, das war einfach unglaublich. Wenn Arik wieder einmal in Schwermut versank und sich vergeblich nach seinem alten Leben und seiner Familie sehnte und es ihm unerträglich wurde, dann rief er Taiki zu sich. Und Taiki sang ihm die Dunkelheit der Seelenqual aus dem Gemüt, löste sie auf durch Schönheit und ersetzte sie durch Trost und gab neue Kraft, sein Leben zu meistern. Es mutete an wie Zauberei. Arik meinte manchmal zu

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