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Die Drachenperle (German Edition)

Die Drachenperle (German Edition)

Titel: Die Drachenperle (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlies Lüer
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du die Sämlinge her?“
    Taiki blickte zu Arik hoch. Ehrfürchtig hielt er dem Aufseher seine Hände entgegen. „Ein Wunder ist geschehen.“
    „Junge, glaub mir. Wunder gibt es nicht in dieser Welt. Hast du sie heimlich in eurer Schlafhütte vorgezogen? Wolltest du ein eigenes Beet damit bestellen? Du weißt doch, dass wir das nicht dürfen.“
    Aber Taiki schüttelte energisch den Kopf. „Nein, Arik, ich lüge nicht. Ich saß hier mit dem Saatgut in den Händen und dachte an frisches Gemüse und plötzlich hatte ich Grünlinge in den Händen. Ich konnte fühlen, wie sie wuchsen. Das muss Zaubersaatgut sein!“
    „Nein, Junge. So et was gibt es nicht. Das kannst du einem alten Mann glauben.“
    Einer Eingebung folgend, forderte Arik Taiki auf, die Pflänzchen auf die Erde zu legen und erneut Saatgut in die geschlossenen Hände zu nehmen.
    „So, und nun denkst du wieder an Gemüse, ja? Stell dir vor, wie es wächst und dich satt machen wird.“
    Taiki gehorchte. Nach einigen Minuten, in denen nichts sichtbar geschehen war, bemerkte Arik einen sanften Lichtschimmer, der Taikis Hände umfloss. Sein Herz klopfte erwartungsvoll. Er hatte doch immer schon geahnt, dass der Junge etwas ganz Besonderes war. „Jetzt öffne mal deine Augen und schau deine Hände an“ , sagte Arik leise.
    Andächtig sahen beide auf dieses Wunder, das nun aus Taikis Händen quoll. Arik legte seine Hand auf Taikis Schulter, drückte sie sanft und sagte bewegt: „Mach damit weiter, ich hole die Feldfrauen, damit sie die Jungpflanzen in die Erde setzen.“
    Nicht zu fassen, dachte er, e s gibt doch Wunder in dieser Welt und eilte davon.
     
    Am Abend zur Essenszeit versammelten sich alle in der großen Kochscheune. Mali und Nona teilten die kargen Rationen aus. Taiki saß zwischen Darihd und Mirkat und fühlte sich unbehaglich, obwohl er auch eine prickelnde Freude und Stolz verspürte. Er blickte immer wieder auf seine schwieligen Hände, die solche Wunder wirken konnten. Es hatte sich längst unter den Sklaven herumgesprochen, was auf dem Feld geschehen war. Die meisten waren verunsichert und sahen Taiki verstohlen an, so als hätten sie einen Fremden vor sich und nicht den Jungen, der nichts anderes als ein Leben mit ihnen gemeinsam in der Sklaverei des Reitervolkes kannte. Er war der einzige, der hier von Anfang an aufgewachsen war. Noch zu Zeiten von Hantoks Vater war es den Sklaven verboten gewesen, Kinder in die Welt zu setzen. Sie galten als unnütze Esser und wurde rigoros vor den Palisaden ausgesetzt und so dem sicheren Tod ausgeliefert. Der jetzige Clanführer war etwas weniger grausam. Er ließ die Säuglinge nicht elend sterben, sondern verkaufte sie an Kinderlose des Flussvolkes, das aus unbekannten Gründen weitaus weniger fruchtbar war als die restliche Bevölkerung von Gorotanien. Bei Taiki hatte Hantok eine Ausnahme gemacht.
    „Inzwischen wisst ihr alle, was heute geschehen ist“ ergriff Arik das Wort. „Wie durch ein Wunder hat sich die Saat innerhalb weniger Minuten in Jungpflanzen verwandelt, und zwar in Taikis Händen und nur in Taikis Händen. Ich selbst habe es auch versucht, aber vergeblich. Es lag also an ihm und nicht am Saatgut. Ihr wisst alle, dass Taiki vor wenigen Wochen von Martok und seinen Kumpanen halbtot geschlagen wurde. Ich meine, wir sollten dafür sorgen, dass er nicht noch mehr Aufmerksamkeit auf sich zieht, und daher über den heutigen Vorfall Schweigen bewahren, zu seiner und auch unserer Sicherheit.“
    Vilunyr, einer der Schafhirten sagte aufgebracht: „Aber was, wenn er ein Zauberer ist? Ich will ihn nicht mehr in der Nähe meiner Schafe wissen.“ Einige nickten mit dem Kopf, Zauberei war etwas Schlechtes, Gefährliches!
    „Vilunyr, du alter Narr“ , schimpfte Mali, „hast du so schnell vergessen, dass die Lämmer, die von ihren Mütter verstoßen wurden, unter Taikis Fürsorge immer bestens gediehen sind? Die Herde wäre bedeutend kleiner ohne den Jungen. Und du, Notath, der du eben auch Zauberei gemurmelt hast, lässt du dir in der kalten Jahreszeit nicht immer gern von Taiki die Hände auf deine verkrüppelten Finger und Füße legen, weil das deine Schmerzen lindert?“
    „Genau, schämt euch!“ Darihd stand erbost auf. „Taiki ist immer unser aller Freund gewesen. Wir sollten zusammenhalten gegen die Rote Horde und uns nicht gegeneinander wenden.“
    „Dann ist es also beschlossene Sache“ zog Arik die Aufmerksamkeit wieder auf sich und warf einen ernsten Blick auf alle.

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