Die Drachenperle (German Edition)
unterbrechen. Die Städter hatten sie nicht mit klingender Münze bezahlt, sondern mit Gemaule und Buh-Rufen. Was Dorians Laune nicht gerade verbessert hatt e.
Der ansteigende, steinige Weg bog nun scharf nach rechts ab und das Anwesen kam in Sicht. Auf den ersten Blick war es ersichtlich, dass hier wohlhabende Bürger lebten. Ein zweistöckiges Wohnhaus aus Stein, sogar mit einem winzigen Balkon. Wenngleich auch mit leichten Anzeichen des Verfalles. Ein Hanggarten dazu. Daneben eine kräuterbewachsene Bergwiese. Einige Ziegen und Schafe weideten dort. Da stand auch ein kleines Fachwerkhaus, wohl für das Gesinde. Bei allen ta nzenden und singenden Göttern, d as musste ein Leben sein! Kiri war voller Sehnsucht nach einem besseren Leben.
„Ab hier gehe ich allein. Ich werde dich zufriedenstellen, Vater Dorian, so oder so. Vielleicht hat die Ehrwürdige sogar die Freundlichkeit, mich vom Husten zu befreien. Denk daran, was du mir versprochen hast: mindestens drei Tage keine Auftritte, sondern Ruhe!“
Dorian nickte grimmig. Was das doch für ein unnötiger Verlust war. Ohne ihre Tänzerin würden sie viel weniger Geld zugeworfen bekommen. Aber mit etwas Glück hätte die Truppe einen weitaus größeren Gewinn, wenn die Kleine sich nicht dumm anstellte. Ohne einen Gruß drehte er sich auf dem Absatz um und kehrte in die Stadt zurück. Bartholo, der das Mädchen mit groß gezogen hatte, nahm Kiri noch kurz in den Arm und gab ihr einen brüderlichen Kuss auf die Stirn.
„Lass es dir da gut gehen. Und bring dich nicht in Gefahr, egal was der alte Dorian sagt, ja? Ich denke, diesem Taiki kannst du trauen, der ist in dich vernarrt. Aber die Alte! Hüte dich vor der Ehrwürdigen, erzürne sie besser nicht.“
Kiri nickte und ging dann auf das Haus zu. Wenn ihr Gefühl sie nicht täuschte, würden die Runen Recht behalten. Ihr Leben stand vor einer großen Veränderung. Doch ob diese gut oder schlecht für sie sein würde, das stand noch in den Sternen.
Taiki war vor die Tür getreten und wartete voller Ungeduld auf Kiris Ankunft. Es hatte einen Streit mit der Urgroßmutter gegeben. Sie wollte kein verlaustes Fahrendes Volk in ihrer Nähe haben und schon gar nicht in ihrem eigenen Haus. Großmutter Lydia hatte zu ihm gehalten. Sie würde sich um das Mädchen kümmern und nötigenfalls eigenhändig baden und entlausen. Taiki bräuchte Gesellschaft mit Gleichaltrigen. Und basta!
Schon lang nicht mehr war sie mit so viel Leidenschaft für etwas eingetreten. Taikis Ankunft hatte etwas in ihr gelöst. Sie spürte, dass sie ihn brauchte, obgleich sie ihn am ersten Tag gefürchtet hatte. Sein liebevolles Wesen, die Art, wie er sie mit seinen grünen, seelenvollen Augen ansah und vor allem seine schöne Singstimme, die ihr so unter die Haut ging! All das versetzte ihr erstarrtes Inneres in Bewegung, brachte ihre Energien ins Fließen zurück. Für sie war er lebende Medizin. Und sie würde nicht zulassen, dass ihre grantelnde alte Mutter ihm die Freude am Besuch verdarb. Taiki hatte bemerkt, wie der Streit mit ihrer Mutter ihre bleichen Wangen rosig gefärbt hatte. Er schob die Erinnerung daran jetzt weg und gab sich der Vorfreude hin. Kiri war das Schönste, was er je gesehen hatte! Endlich sah er sie! Sie kam langsam mit wiegendem Schritt um die Wegbiegung. Ihr rotes, lockiges Haar leuchtete weithin. Sie trug es nach Gauklerinnenart offen. Die Frauen der Bürger mussten ihr Haar unter Hauben verbergen. Taiki hielt es nicht aus zu warten , er musste ihr einfach entgegenlaufen.
„Kiri! Ich freue mich so, dich wiederzusehen.“
„Taiki, hab Dank für die freundliche Einladung “, entgegnete Kiri mit leiser Stimme. Auf den letzten Metern des Weges schwankte sie etwas und fing an zu husten.
„Ist dir nicht wohl? Komm ins Haus, wir werden uns um dich kümmern.“
Lydia und Ingay begrüßten den Gast freundlich. Mareika ließ sich nicht blicken. Aber das war Taiki nur recht. Er wollte sich ganz auf Kiris Bedürfnisse konzentrieren. Zusammen mit ihr nahm er ein Nachtmahl ein, das Ingay servierte. Währenddessen erhitzte Jolim viel heißes Wasser für ein Bad. Taiki hatte die Anweisung gegeben, einen kräftigen Sud aus Thymian und Fichtennadeln zu kochen und diesen dem Badewasser beizugeben. Zur Nacht bekam Kiri noch einen Tee aus Schafgarbe, Baldrian und Königskerze gereicht. Auch wenn Mareika auf die niederen Heilerstände herabblickte, waren in ihrem Haushalt nicht nur Würz- sondern auch Heilkräuter zu finden.
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